Editorial August 2012
Alles läuft gleichzeitig. Drinnen fantasiert Wolfgang Rihm mit Nietzsche über Nietzsche; draußen animiert ein Shaolin-Mönch zum Tai Chi. Wenn das Publikum der Berliner «Dionysos»-Premiere aus dem Schiller Theater in die sommerschwüle Pause strömt, sind die Exerzitien auf dem Vorplatz bereits in vollem Gang. Jeder kann mitmachen. In der Schiller Werkstatt lassen sich unterdessen Sänger, Schauspieler und Artisten von John Cages «Songbooks» zu Improvisationen verführen.
Regisseurin Sandra Leupold hat ein selbstgemachtes Stockhausen-Brettspiel mitgebracht: Da kann man die Welt und den Kosmos retten – vorausgesetzt, die Würfel fallen günstig und man löst die aus den Schriften des LICHT-Gurus zitierten und auf Ereigniskarten gedruckten Aufgaben. Von der Galerie führt Carl Hegemann, der Hohepriester des postdramatischen Theaters, ein endloses Selbstgespräch auf vier Monitoren, das niemand versteht und niemand wirklich beachtet.
«Die Musik ist los», lautet das Motto des Programms, das die Berliner Staatsoper zum hundertsten Cage-Geburtstag ausrichtet. Im Zirkus der Zufallsoperationen und des Unvorhergesehen schlagen Ideen zum Musiktheater wilde Haken, wirken die Gedanken frecher und die ...
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Opernwelt August 2012
Rubrik: Editorial, Seite 1
von Stephan Mösch, Albrecht Thiemann
Willkommen in der Welt der Posen. Warum sollte ein Opernsänger nicht Ronaldos Pfauengehabe imitieren? Willkommen in der Welt des Halls, der die Stimme riesenhaft schwellen lässt. Welche Zauberkunst war es, die ihr in der tiefen Lage bassbaritonale Fülle geschenkt hat und in der Höhe (klanglich seltsam abgekoppelt von der mittleren Lage) tenorale Töne, die an den...
Edgar Allan Poes bekanntestes Schauergedicht «The Raven» hat immer wieder Künstler zur Auseinandersetzung herausgefordert. Dichter wie Harry Mulisch, Filmregisseure wie Roger Corman oder Popmusiker wie Alan Parsons bedienten sich bei Poes merkwürdiger Geschichte eines Menschen, der seinen Partner verloren hat und in einer mysteriösen nächtlichen...
Wolfgang Quetes hat sich nach acht Jahren als Generalintendant aus Münster verabschiedet. Es spricht für ihn, dass er sich den Abschied mit seiner letzten Inszenierung nicht leicht, sondern besonders schwer gemacht hat. Webers 1826 für London komponierter «Oberon» ist – so Carl Dahlhaus – «weder ‹Oper› noch ‹Musikdrama›, sondern im Wortsinn ‹Musiktheater›»: eine...