Zaubertheater
Der Himmel hängt voller Folianten. Es wirkt bedrohlich, wenn sich aus dem Schnürboden eine gigantische Bücherwand auf Fausts Studierstube herabsenkt. Noch schwerer als das gesammelte Wissen allerdings drückt den Herrn Doktor die Last des Alters.
Da aber weiß zum Glück Monsieur Mephisto Rat – und tatsächlich zwängt sich ein frühlingshaft belaubter Ast durch die Öffnung in der schwebenden Regalwand, wenn sich zwischen Marguerite und Faust das liebesnächtliche Duett entspinnt: Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, und grün des Lebens goldner Baum!
Hinrich Horstkotte bekennt sich in seiner «Faust»-Inszenierung ungeniert zum Pappmaché-Zaubertheater. Auf der riesigen Dessauer Bühne halten schwarz gewandete Statisten ein halbes Dutzend doppelseitig nutzbarer Häuschen ständig in Bewegung, außen Fassade, innen Puppenstube. Zusammen mit den historischen Kostümen erinnert das an die Optik des Musicals «Les Misérables» – nur dass Horstkotte intelligenter mit den Deko-Elementen spielt als die Broadway-Unterhalter. Da singt Marguerite vom «König in Thule», während sie durch die Straßen wandert – wobei sich hier die Gebäude um die Sopranistin bewegen statt umgekehrt. Ein raffinierter Effekt, der ...
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Opernwelt Mai 2012
Rubrik: Panorama, Seite 34
von Frederik Hanssen
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