
Opernwelt März 2020
Editorial
Im Focus
Blutige Kolonialgeschichte
Ersan Mondtag verlegt Franz Schrekers «Schmied von Gent» an der Opera Vlaanderen in den von Belgien ausgeplünderten Kongo; der neue Musikchef Alejo Pérez entlockt den klanglichen Mixturen maximale Transparenz
An der Rampe, händeringend
Luk Perceval reduziert Mozarts «Entführung aus dem Serail» in Genf auf eine Lehrformel – und wird so weder den eingeschriebenen Texten Aslı Erdoğans noch der von Fabio Biondi konzeptkompatibel enggeführten Musik gerecht
Zukunftsfinsternis
Die Stuttgarter Oper spielt die Urfassung von Mussorgskys «Boris Godunow» und koppelt sie mit der Uraufführung von Sergej Newskis postsowjetischen Szenen aus Swetlana Alexijewitschs Roman «Secondhand-Zeit»
Spiegel des Grauens
Das Theater an der Wien bringt Strauss’ «Salome» heraus – in der neuen Orchesterfassung von Eberhard Kloke, in Szene gesetzt von Nikolaus Habjan, dirigiert von Leo Hussain, mit einer entfesselten Marlis Petersen in der Titelrolle
Eine «Opera-Comoedie»?
Am Hessischen Staatstheater in Wiesbaden ist Bachs «Matthäus-Passion» wieder einmal in einer szenischen Fassung zu sehen. Anmerkungen zu einem komplexen Thema
Das sagt sich nicht
«Parsifal» à la française: In Toulouse transformieren Aurélian Bory und Frank Beermann Wagners Bühnenweihfestspiel ins Metaphysische, in Strasbourg rücken Amon Miyamoto und Marko Letonja das Stück ins Museum «Humanité»
Klarer Fall
Die Bayerische Staatsoper kombiniert Béla Bartóks «Blaubart» mit seinem «Konzert für Orchester»; Oksana Lyniv und Katie Mitchell sezieren den Stoff mit Nina Stemme im Zentrum als sozialpathologische Kriminalgeschichte
Todessehnsüchtig
Katharina Thoma verweigert den Liebenden in «Tristan und Isolde» an der Oper Frankfurt eine gemeinsame Vision, Sebastian Weigle dirigiert einen rationalistischen Wagner
Griechische Passion
Mit Entdeckerlust, sprühender Energie und der millionenschweren Sonderzuwendung einer privaten Stiftung suchen Intendant Giorgos Koumendakis und sein Team die Nationaloper in Athen neu zu erfinden. Drei Jahre nach dem Umzug ins neue Quartier am Stadtrand steht das Haus besser da denn je
Hören, Sehen, Lesen
Unter der großen Sonne
Tragédies lyriques von Jean-Baptiste Lully: Christophe Roussets hinreißendes «Isis»-Abenteuer und Vincent Dumestres französisch-russisches «Phaéton»-Projekt
Süße Klagen
Reinoud van Mechelen ist der magische Orphée in Marc-Antoine Charpentiers Kammeroper und Kantate
CD des Monats
Ein Glanz von innen
Diana Damrau durchleuchtet Strauss-Lieder, klangvoll assistiert von Mariss Jansons und seinen BR-Symphonikern sowie Helmut Deutsch
Hören, Sehen, Lesen
Gesamtkunstwerke
Cecilia Bartoli wirft für Farinelli ihre Koloraturmaschine an, Simone Kermes widmet sich mit schrillem Barock-Pop den sieben Todsünden und Tugenden
Im Bann der Affekte
Paul O’Dette und Stephen Stubbs setzen sich mit Verve für Händels erste Oper «Almira» ein, Maxim Emelyanychev entlarvt «Agrippina» als bitterschwarze Komödie
Dekonstruktion des Titans
Beethoven-Bücher von Hans-Joachim Hinrichsen, Otto Brusatti und Albrecht Selge sowie eine überarbeitete Neuausgabe der Biografie von Jan Caeyers
Chapeau!
Brigitte Fassbaenders Autobiografie «Komm’ aus dem Staunen nicht heraus» nimmt kein Blatt vor den Mund, ist selbstkritisch und sich für nichts zu schade – findet die Sopranistin Simone Kermes, die das Buch für uns gelesen hat
Interview
Was ich fühle
Sie hat einen Hang zum Tragischen, jedenfalls auf der Bühne. Erst im vergangenen Jahr wurde sie für ihre Cassandre in Berlioz’ «Les Troyens» an der Pariser Oper gefeiert, jetzt gibt sie dort ihr Debüt als Donna Elvira in «Don Giovanni». Doch vermag die französische Mezzosopranistin Stéphanie d’Oustrac darüber hinaus auch die melancholischen und die starken Frauen mit einer Verve darzustellen, die einzigartig ist. Ein Gespräch über die Liebe, Gedichte der Romantik, sperrige Regiekonzepte und darüber, was deutsch ist
Panorama
Service
Premieren
Magazin
An der Klippe
Die Einnahmeverluste der Pariser Oper durch Streiks gegen die geplante Rentenreform in Frankreich beziffern sich auf zig Millionen Euro. Doch Musiker, Tänzer und Choristen haben gute Gründe, für das bisherige System zu kämpfen
Wagner denken, Verdi singen
Ein Sänger-Schauspieler aus Überzeugung: Zum Tod des Basses Franz Mazura
Mädchenhaft, verletzlich
Flirt mit Puccini: Anna Netrebko gibt an der Bayerischen Staatsoper in München ihr Turandot-Debüt
Der Unermüdliche
Nach wie vor aktiv: Zum 80. Geburtstag des Basses Victor von Halem
Thesentheater
Doch so viel Einfluss hat das Publikum dann doch nicht: «Chaosmos» von Marc Sinan, Konrad Kästner und Eylien König an der Oper Wuppertal
Zeitgenossenschaft
Starke Frauen, muntere Diversität und ein etwas blutleeres elektronisches Musiktheater – das ist «Ultraschall» 2020
Mitspieler und Ruhepol
Der Belcantist unter den Wagner-Bässen: Jan-Hendrik Rootering zum 70.
Ab ins Kloster
Kirill Petrenko führt in der Berliner Philharmonie mit singenden und musizierenden Nachwuchskräften Puccinis «Suor Angelica» auf
Ins Vergessen vertrieben
Bei ihm gingen nicht nur Alfred Schnittke, Sofia Gubaidulina und Edison Denisov in die Schule: Wien erinnert an den Komponisten Philip Herschkowitz
Richards Traum
Im ehemaligen Deutschen Theater der lettischen Haupstadt Riga soll ein internationales Kulturzentrum entstehen
Apropos... Belcanto
Wo immer italienisches Fach ansteht, ob in Wien, München, Dresden, Paris oder Moskau, ist er gefragt. Giacomo Sagripanti, in den italienischen Abruzzen geboren und 2016 in London bei den International Opera Awards als bester Nachwuchsdirigent ausgezeichnet, startet gerade durch. Ein versierter Pragmatiker, der auch in Repertoirevorstellungen Premierenfeuer zünden kann. Im Sommer wird er das Rossini Festival in Pesaro mit «Moïse et Pharaon» eröffnen