
Opernwelt Jahrbuch 2016
Opernhaus des Jahres
Aus der Werkstatt
Seit mehr als zwanzig Jahren arbeiten Jossi Wieler und Sergio Morabito zusammen. Seit fünf Jahren leiten sie die Stuttgarter Oper. Ein Gespräch über Kontinuität und Kommunikation, Textexegese und Körperspiel, das Eigene, das Fremde und den produktiven Mut zur Lücke
Einfach Spitze
In der vergangenen Spielzeit hat die Oper Stuttgart wieder einmal gezeigt, was ein Ensembletheater kann, in dem sich auch die Gäste wie zu Hause fühlen
Bühne und Kostüme des Jahres
Auf den zweiten Blick
Ihre Kostüme machen weder schön noch hässlich. Kirchenräume, Wartehallen und Foyers zeigt Anna Viebrock nüchtern, trist, oft ein wenig ranzig. Bewusst alltäglich und realistisch auf den ersten Blick. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man, dass sich da Dinge ineinanderschieben, die eigentlich nicht zusammengehören – dass diese Räume viele enthalten; dass sie keine Nachbildungen, sondern (Alp-)Traumwelten sind. Orte und Kleider werden zu Zeichen, spiegeln Beziehungen und Konflikte der Figuren. Zum sechsten Mal wird Viebrock als Bühnenbildnerin, zum vierten Mal als Kostümbildnerin gewürdigt – für je eine Arbeit mit ihren bevorzugten Regisseuren seit mehr als zwei Dekaden: Marthalers «Viaggio a Reims» in Zürich und Wieler/Morabitos «I puritani» in Stuttgart
Aufführung des Jahres
In die Freiheit entlassen
Als Karlheinz Stockhausens «Donnerstag aus ‹Licht›» zum ersten Mal auf die Bühne kam, saß der Meister selbst am Mischpult. Auch sonst suchte er die Kontrolle über sein Werk zu behalten, hatte in der Partitur noch das winzigste szenische Detail festgelegt. Die ganze «Licht»-Mission schien in Stein gemeißelt. Was der
Dirigent Titus Engel, die Regisseurin Lydia Steier und ihr Team am Theater Basel mit dem Stück angestellt haben, kommt einer Zäsur gleich: So konkret, so ironisch, so respektvoll kritisch hat noch niemand den spirituellen Trip des Gurus aus Kürten auf die Erde zurückprojiziert.
Sänger des Jahres
Ideen stinken nicht
Zum zweiten Mal (nach 2010) ist Christian Gerhaher zum «Sänger des Jahres» gewählt worden – für seinen ersten, brennend genauen Wozzeck in Zürich. Irgendwann musste diese Partie ja kommen. Weil sie so gut zu ihm «passt»: Der Bariton ist nicht nur ein extrem textbewusster, sondern auch skrupulös reflektierender Interpret. Die Sunnyboys der Opernliteratur drängen sich da weniger auf. Dabei hat der gebürtige Niederbayer echte Buffo-Qualitäten. Was er vor einigen Jahren etwa als Eisenstein in der Frankfurter «Fledermaus» bewies. Sie zeigen sich auch in privatem Kreis, wenn er auf nie verletzende Weise Kollegen parodiert. Demnächst steht Mozarts Figaro ins Haus. Außerdem sind Verdis Posa und Simon Boccanegra verabredet.
Wiederentdeckung des Jahres
Durchgeknallt
Politsatire, Märchen, Liebeskomödie und Spektakel: Jacques Offenbachs «Le Roi Carotte» ist ein Disney-Film avant la lettre
Auf den Spuren Salomes
Marien-Mystik, Sex & Crime, Montagetechnik: Ein Jahrhundert nach der Uraufführung ist das Interesse an Ermanno Wolf-Ferraris «Schmuck der Madonna» neu erwacht
Irrsinn Europa
Mit seiner «Hamletmaschine» schrieb Wolfgang Rihm eine Oper für die Zukunft. Vielleicht hat uns das erst die Wiederbegegnung in Zürich klar gemacht – fast drei Jahrzehnte nach der Uraufführung
Uraufführung des Jahres
Schwebungen zwischen Leben und Tod
«Koma»: Zum Konzept der Mikrotonalität im Schaffen von Georg Friedrich Haas
Grenzgänge zwischen Ost und West
«Stilles Meer»: Wie Toshio Hosokawa die alte Kultur Japans für seine Musik fruchtbar macht
Expedition zwischen Struktur und Natur
«South Pole»: Mit seiner zweiten Oper hat Miroslav Srnka ein Abenteuerstück geschrieben, das ins Innere des Kontinents Mensch führt
Chronique scandaleuse
389 Millionen
Aber sicher ist das noch nicht: Seit sechs Jahren wartet Berlins Staatsoper auf die Rückkehr in den Knobelsdorff-Bau Unter den Linden
460 Millionen
Vielleicht auch noch mehr: Seit vier Jahren wird Kölns Oper bereits saniert; wann im Stammhaus wieder gespielt werden kann, ist völlig offen
866 Millionen
Wenn alles gutgeht: Im Januar 2017 soll Hamburgs Elbphilharmonie endlich eröffnet werden – zehn Jahre nach der Grundsteinlegung
Matti Salminen
Bässe wachsen nicht auf Bäumen
Studioaufnahmen sind Schwachsinn, sagt er, und: Singen ist ein Schusterstuben-Problem. Um klare Worte war der große Sänger aus Finnland nie verlegen. Geschichten aus einer fünf Jahrzente überspannenden Karriere
William Shakespeare
Lob der Bastarde
Sommerträume, Wintermärchen, Gefühlsstürme: Anmerkungen zu Shakespeare-Opern seit 1945 – von Bernstein bis Rihm, von Britten bis Sciarrino
Gaetano Donizetti
Eklektik mit Esprit
Um das Spätwerk Donizettis machen Intendanten nach wie vor einen Bogen – Plädoyer für einen verkannten Schatz
Oper online
Mitten im Nirgendwo
Streaming gilt als Wachstumsmarkt. Bislang ist das freilich eine Wette auf die Zukunft – noch herrscht im Netz die Gratis-Kultur
Bilanz des Jahres
Diversität oder: Was bleibt von 2015/16
Die Bilanz der Spielzeit im Urteil von 50 Kritikern
Dirigent des Jahres
Kunst und Kult free
Der charismatische Grieche mit russischem Pass hat flammende Befürworter, andere werfen ihm Effekthascherei vor. Unstrittig bleibt, dass Teodor Currentzis, der «Dirigent des Jahres», unter den Maestros seiner Generation der eigenwilligste ist
Bilanz des Jahres
Regisseur des Jahres
Die Macht des Körpers
Sein Theater setzt weniger auf psychologische Introspektion als auf die sinnliche Gestalt der Affekte: Barrie Kosky ist «Regisseur des Jahres»
Bilanz des Jahres
Nachwuchskünstlerin des Jahres
Ich will das schaffen!
Neue Stimmen, Queen Sonya, Victoires de la musique classique, Operalia – «Nachwuchskünstlerin des Jahres» Elsa Dreisig ging selten ohne Preis nach Hause. Doch mit Wettbewerben ist jetzt Schluss; Pamina in Paris, Musetta in Zürich, Micaëla in Aix stehen an. Ab 2017 gehört sie zum Ensemble der Berliner Staatsoper
Dokumentation
Oper 2016/17
Die neuen Ensembles
Die Premieren der kommenden Saison
Die Produktionen der vergangenen Spielzeit