Zwischen Travestie und Ernst

Musikalisch großartig, szenisch gescheitert: Uwe Schweikert über «Lucio Silla» im Rahmen des Mannheimer Mozartsommers

Die Salzburger Festspiele haben im Mozartjahr 2006 alle 22 Mozart-Opern szenisch präsentiert. Alle Produktionen sind inzwischen auch als DVD erhältlich (siehe OW 2/2007). Die globale Distribution selbst der Jugendwerke und Fragmente kann freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Mozart-Kanon in den letzten beiden Jahrzehnten kaum verbreitert hat.

Gewiss, «Idomeneo» und «Titus», ja selbst die «Finta giar­diniera» sind inzwischen, wenn schon nicht der absoluten Zahl der Vorstellungen so doch der Zahl der Produktionen nach, zu den fünf seit jeher unumstrittenen Meisterwerken aufgeschlossen. Doch die beiden Seria-Opern, die der junge ­Mozart für Mailand komponiert hat – «Mitridate» und «Lucio Silla» –, führen weiterhin ein Schattendasein auf der Bühne und vermelden bescheidene vier bzw. fünf Einstudierungen im Ju­bi­läums­jahr.
Das liegt weniger an der Musik, in der immer wieder Mozarts geniale Theaterbegabung aufblitzt, als an den Libretti, die sich noch weitgehend an die Konventionen der höfischen Opera seria halten. Auch das Textbuch, das Giovanni de Gamerra für den am 26. Dezember 1772 in Mailand uraufgeführten «Lucio Silla» schrieb, folgt mit seinen drei Akten, sechs ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt September/Oktober 2007
Rubrik: Festspiele I, Seite 44
von Uwe Schweikert

Vergriffen
Weitere Beiträge
Mit metaphorischem Haustier

Man muss schon eine ganze Weile suchen, bis man ihn in einem der heute gebräuchlichen Opernführer findet. Dabei hat der in Antwerpen geborene, später in Paris erfolgreiche Albert Grisar (1808-1869) immerhin achtzehn Bühnenwerke geschrieben. Zwei von ihnen brachte jetzt die für ihre Entdeckerfreude bekannte Kammer­oper in Neuburg an der Donau im Rahmen eines...

Mit dem Genius Loci auf Du

In der Spätzeit der DDR lag Stralsund am Boden. Noch zu Beginn der neunziger Jahre, kurz nach der Wende, bot sich dem Besucher, der durch die Gassen der einstmals florierenden Hansestadt flanierte, ein Bild der Verheerung: blinde Fenster, bröckelnder Putz, löchrige Dächer, schimmelndes Holz – wüstes Terrain, wohin das Auge blickte. Und das mitten in jenem von der...

Wenn Blut zu Blüten wird

Dafür dass man die Zürcher Tonhalle nicht mehr in ers­ter Linie als klassizistischen Musentempel erlebt, sondern als Sinnbild für frisches Musizieren, hat ­David Zinman mit seiner Quirligkeit ­gesorgt. Aber sein Kollege Muhai Tang setzt noch eins drauf: Als Chefdirigent des Zürcher Kammerorchesters setzt er in seiner ers­ten Saison bereits mit dem Mini-Festival...