Zurück von ihm!

Wagners «Tannhäuser» in Hamburg gelingt weder szenisch noch musikalisch

Ein Mann. Er schläft. Liegt, friedlich und scheinbar tiefenentspannt, in Morpheus’ Armen und träumt sich seine Welt zurecht, während aus dem Graben heraus, in höchstmöglicher Transparenz und Trennschärfe, das Vorspiel dieser romantischen Oper an ihm vorübergleitet.

Je mehr sich die Musik in einen rauschhaften Zustand hineinsteigert, umso stärker wird auch der auf den Vorhang projizierte Mann (in dem wir den Sänger Klaus Florian Vogt erkennen) von Bildern übermannt, die all das, was er zuvor erlebt hat, neu formatieren, verquicken, verschieben, verdrängen, verzerren und verschatten – hin zu einer Wahrnehmung, in der das Wahre überwölbt wird von der Idee, wie es auch anders gewesen sein könnte: drastischer, direkter. Dieser Schlaf gebiert jene Ungeheuer, die Heinrich Tannhäuser vergessen zu haben glaubte, und es sind gewiss nicht die Glocken, von denen er später spricht, die durch seine Erinnerungen hindurch erklingen. Nein, es sind Bilder der Liebe und Lust, Bilder einer unbeschwerten Kindheit, von liebevoller Berührung und einander verschlingenden Körpern, schließlich: Bilder eines Kusses, der für die Ewigkeit taugen würde. 

Ein starker Beginn. Denn das Video von Rūdolfs Baltiņš ...

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Opernwelt 6 2022
Rubrik: Im Focus, Seite 8
von Jürgen Otten

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