Zurück von ihm!

Wagners «Tannhäuser» in Hamburg gelingt weder szenisch noch musikalisch

Opernwelt - Logo

Ein Mann. Er schläft. Liegt, friedlich und scheinbar tiefenentspannt, in Morpheus’ Armen und träumt sich seine Welt zurecht, während aus dem Graben heraus, in höchstmöglicher Transparenz und Trennschärfe, das Vorspiel dieser romantischen Oper an ihm vorübergleitet.

Je mehr sich die Musik in einen rauschhaften Zustand hineinsteigert, umso stärker wird auch der auf den Vorhang projizierte Mann (in dem wir den Sänger Klaus Florian Vogt erkennen) von Bildern übermannt, die all das, was er zuvor erlebt hat, neu formatieren, verquicken, verschieben, verdrängen, verzerren und verschatten – hin zu einer Wahrnehmung, in der das Wahre überwölbt wird von der Idee, wie es auch anders gewesen sein könnte: drastischer, direkter. Dieser Schlaf gebiert jene Ungeheuer, die Heinrich Tannhäuser vergessen zu haben glaubte, und es sind gewiss nicht die Glocken, von denen er später spricht, die durch seine Erinnerungen hindurch erklingen. Nein, es sind Bilder der Liebe und Lust, Bilder einer unbeschwerten Kindheit, von liebevoller Berührung und einander verschlingenden Körpern, schließlich: Bilder eines Kusses, der für die Ewigkeit taugen würde. 

Ein starker Beginn. Denn das Video von Rūdolfs Baltiņš ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt 6 2022
Rubrik: Im Focus, Seite 8
von Jürgen Otten

Weitere Beiträge
Offene Wunden

Plitsch – platsch – plitsch – platsch: Drei Akte lang ging das so. Wenn das Bayreuther Festspielhaus noch ein Tempel wäre, dann hätte Hermann Nitsch ihn im vergangenen Sommer entweiht – allein schon durch die Geräusche, die Farbe macht, wenn man sie eimerweise auf eine Leinwand schüttet, oder eher: wirft. Der Corona-Sommer machte es möglich, zu Wagners konzertant...

KALTES LAND

Die Holländische Straße in Kassel ist nicht unbedingt das, was man eine schicke Flaniermeile nennen würde. Prosaische Nachkriegsarchitektur dominiert, die vorherrschende Farbe ist mattes Grau, Geschäfte und Wohnhäuser reihen sich schmucklos aneinander. Eine typische Ausfallschneise eben, ohne Flair, ohne Charme. Im April 2006 erlangte diese Straße traurige...

GOTTES WERK UND TEUFELS BEITRAG

Anlass, Datum und Ort waren mit Bedacht gewählt. Pünktlich zur alljährlich gefeierten Wiederauferstehung Jesu Christi, am Ostersonntag Anno Domini 1708, erlebte Georg Friedrich Händels Oratorium «La Resurrezione» seine prunkvolle Uraufführung in der ewigen Stadt. Im salone d'onore al piano nobile des Palazzo Bonelli war eigens dafür eine Bühne errichtet worden, an...