Zimmer mit Aussicht
Gleich vielen Figuren in den Dramen von Tschechow kommt auch Tschaikowskys Tatjana das landadelige Leben mit seinen bescheidenen Abwechslungen allzu unaufgeregt vor. Die junge Frau flüchtet sich daher in die Welt der Dichtung; für Mutter und Schwester sowie den langweiligen Alltag um sie herum erübrigt sie kaum einen Seitenblick. Da ist es kein Wunder, wenn eines Tages einer der Romanhelden «tatsächlich» vor ihr erscheint.
Laurent Pelly schildert die Ereignisse in Brüssel aus Tatjanas Sicht.
Für den französischen Regisseur ist sie zunächst nichts als eine kaum dem Mädchenalter entwachsene Frau; ihre Brief-Arie wähnt Pelly gleichsam von Salonmusik inspiriert. Doch ist «Eugen Onegin» kein Werk, das den Adel mit sentimentalen Romanzen etwa in der Manier Paolo Tostis beliefert; unter der Oberfläche der idolsüchtigen Tatjana erschließt Tschaikowsky einige musikalische Tiefendimensionen. Von hier aus weitet sich der Horizont zu allgemeinmenschlichen Leidenschaften. Freilich bedarf es eines gewissen materiellen Komforts, um diese ausleben zu können. Deswegen bleibt bei Pelly das Werk im zaristischen Russland situiert. Tatjana frönt dort ihren Sehnsüchten, Onegin jenem grenzenlosen Ennui, ...
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Opernwelt März 2023
Rubrik: Panorama, Seite 56
von Michael Kaminski
alpha
05.03. – 21.45 Uhr Rossini: Stabat Mater
Es wird selten aufgeführt, das «Stabat Mater» von Gioachino Rossini. Es ist zwar ein geistliches Werk, aber durch und durch vom Geist der Oper inspiriert. Deshalb braucht es erstklassige Solisten. Dieser Aufgabe stellten sich zum Start des Rossini-Jahres 2018 Howard Arman und der Chor des Bayerischen Rundfunks in einer...
Links, an der «Plaza de la corrupción», leuchten in Grün und Rot die gleichgeschlechtlichen Wiener Ampelpersönchen. Rechts versorgen drei resolute Damen vom Grill die Massen mit geistiger Nahrung, und zwar im extra populären flüssigen Aggregatzustand. Auf dem Steg, der zwischen Publikum und Graben verläuft, gehen inkognito sowohl der Stadtkommandant als auch der...
Als 1992 die «Entdeckung» Amerikas durch Columbus 1492 zelebriert wurde, kam Spaniens König Juan Carlos nicht umhin, diese Großtat vollmundig zu preisen: Erst die «hispanidad» habe der «Neuen Welt» mit der spanischen Sprache, dem Katholizismus und der eurozentrischen Kultur, der barocken Architektur wahre Würde verliehen. Doch in Lateinamerika hielt sich die...