Zeitmaschine
In Gottes Namen? Ständig schleicht einer an diesem Abend chez Gluck im Theater an der Wien über die Bühne, in schwarzem Outfit und Priesterkollar wie ein perfider Militärpfaffe, lauernd, mit bösem Lächeln, eingeschlossen in den Bleirahmen höflicher Gefährlichkeit. Stets trägt er Handschuhe – um keine Spuren zu hinterlassen? Denn es obliegen ihm die notwendigen Handreichungen zu den anbefohlenen Opfermorden, an Iphigenie auf Aulis und an Orest und Pylades auf Tauris.
Er drängt den Exekutoren die Mörderwaffen auf, Messer, Pistolen; in Torsten Fischers Inszenierung der beiden Iphigenien scheint er Vertreter einer fragwürdigen geistlichen Obrigkeit, eines Gottesprinzips, das eifersüchtig und brutal auf Abwicklung des Anbefohlenen besteht.
Dem Theater freilich ist aufgegeben, Gegenentwürfe zu erstellen – und dies tat bereits Gluck selbst in der tauridischen Iphigenie. Denn die Titelheldin (in Wien verkörpert von der grandiosen Véronique Gens, die sich diese Figur über die Jahre perfekt anverwandelt hat), ihr Bruder Orest und dessen Freund Pylades (die ebenso überzeugenden Stéphane Degout und Rainer Trost) ringen sich mit übermenschlicher Anstrengung dazu durch, der göttlichen Willkür ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Opernwelt Dezember 2014
Rubrik: Im Focus, Seite 26
von Gerhard Persché
Wie ein Filmdrehbuch hat Hugo von Hofmannsthal das Libretto des «Rosenkavalier» abgefasst, jede Nuance des Bühnengeschehens genau festgelegt. Über Jahrzehnte hinweg, von der Dresdner Uraufführung (1911) an, hielten sich Regisseure penibel an diese Vorgaben. Noch bis in die jüngste Zeit galten die traditionellen Inszenierungen eines Rudolf Hartmann oder Otto Schenk...
Meyerbeer und die Grand opéra – in der Musikwissenschaft sind das inzwischen vielbeachtete und -bearbeitete Themen. Die Initialzündung gab 1991 ein Symposium in Thurnau. Seither vergeht kaum ein Jahr, in dem nicht mindestens eine Konferenz irgendwo auf der Welt speziell den Komponisten oder sein Genre in den Fokus nimmt. Zum 150. Todestag des Berliners taten das...
Alfredo Catalanis 1892 an der Scala uraufgeführte Oper «La Wally» ist auf deutschen Bühnen selten zu erleben – zu Unrecht, wie die Mannheimer Aufführung beweist. Die Handlung mutet zwar auf den ersten Blick konventionell an, aber der wie Puccini aus Lucca stammende, früh verstorbene Catalani und sein Librettist Luigi Illica geben der Dreiecksgeschichte einer Frau...