Zeitgeschichten
Einszweidrei, im Sauseschritt ... Mehr als ein halbes Jahrhundert ist Theodor W. Adornos berühmtes Verdikt (aus der «Einleitung in die Musiksoziologie») jetzt alt, Oper hätte «nach Stil, Substanz und Haltung [...] nichts mehr mit denen zu tun, an die sie appelliert». Avancierte Komponisten in Europa hatten sich in diesem Sinne damals radikal von erzählenden Werken ab- und artifiziellen Formen zugewandt. Ihre Kollegen im angelsächsischen Kulturraum hingegen halten Handlungs- wie Literaturoper nach wie vor die Treue.
Mit unterschiedlicher Wirksamkeit, was auch die hier diskutierten CDs neue(re)r englischer und amerikanischer Musiktheaterwerke belegen.
Wobei manche, um nochmals Adorno zu zitieren, durchaus den «Standort des Geräuschkulissen erstellenden Komponistenregisseurs» einnehmen, der sich an «literarisch bereits arrivierte Sujets» anhänge. Wie etwa Philip Glass mit der Veroperung von Kafkas «Der Prozess» (Libretto: Christopher Hampton), uraufgeführt 2014 vom Music Theatre Wales im Linbury Theatre an Covent Garden. Die Handlung ist bekannt: Josef K., 30, findet sich eines Morgens in einem Strudel seltsamer Ereignisse; es geht um vermeintliche, nie bezeichnete Schuld. Die Story ...
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Opernwelt Dezember 2018
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 24
von Gerhard Persché
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