Zeitgenössisch und archaisch

Elliot Goldenthals «Grendel» in New York uraufgeführt

Nach der Pause tritt der Krieger Unferth an, um mit dem Monster Grendel die Kräfte zu messen, auf Sieg oder Untergang. Doch statt zu kämpfen, singt der Mann von Hoffnungen und Frustrationen eines Helden. Seine Arie ist ein, wenn man so will, «lyrischer» und emotionaler Höhepunkt in Elliot Goldenthals solide gebauter neuer Oper – und sie bleibt das auch, trotz Grendels bissiger Bemerkung, dass ihm das Wort «hero» allmählich auf den Geist gehe.

Doch nach dem neunzig Minuten langen, als Monolog über die Titelfigur konzipierten ersten Akt, der kaum konflikthafte Handlung, dafür umso mehr Rückblenden bietet, ist man versucht, den unwirschen Einwurf gegen den Sprecher selbst zu wenden.
Die ersten Skizzen zu «Grendel» brachte Goldenthal bereits vor rund zwanzig Jahren zu Papier, doch das Gros der Partitur entstand erst im Verlaufe des letzten Jahres. Einen Monat nach seiner Uraufführung in Los Angeles wurde das Opus – es wirkt wie work in progress – im Rahmen des New Yorker Lincoln Center Festivals vorgestellt. In dem altenglischen Epos «Beowulf» ist Grendel der Nachkomme des Brudermörders Kain. Die Oper indes basiert auf dem gleichnamigen Roman von John Gardner aus dem Jahr 1971. Gardner ...

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Opernwelt September/Oktober 2006
Rubrik: Magazin, Seite 54
von Matthew Gurewitsch

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