Wille zur Macht
Der Prolog fehlt. Keine Debatte darüber, wer die einflussreichste allegorische Figur auf der Bühne ist. Fortuna, die Schicksalsgöttin, und Virtù, Vertreterin von Tugend und Tapferkeit, sind erst gar nicht angereist. Nur Amor ist erschienen, um den Menschen stupende erotische Energien einzuflößen. Allein, das Singen hat auch der Liebesgott anscheinend verlernt.
Stumm wie ein Fisch (aber ebenso geschmeidig) schlängelt sich die Tänzerin Diane Gemsch in schwarz-ledernem Ganzkörperanzug und furchterregender Dämonenmaske (Kostüme: Žana Bošnjak) durch das trockengelegte, weißgekachelte, mit Asche belegte Schwimmbecken des Bühnenbildners Wolfgang Menardi, reibt sich mal an Poppea, der Mätresse des Kaisers, mal an diesem selbst. Wirft ihren durchtrainierten Körper zwischen sie, rollt herum, touchiert mit unterschiedlicher Intensität verschiedene Gliedmaßen, wird handgreiflich, gleitet, wie von Furien getrieben, weiter.
«L’incoronazione di Poppea» heißt die Oper, die im Theater St. Gallen, gegeben wird. Aber es ist ein völlig anderes Stück als das 1643 aus der Taufe gehobene, uns bekannte von Claudio Monteverdi. Es eine Bearbeitung zu nennen, griffe entschieden zu kurz; zu einschneidend ...
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Opernwelt August 2019
Rubrik: Im Focus, Seite 12
von Jürgen Otten
Lebenserinnerungen bergen stets eine gewisse Tücke: Will deren Verfasser die ganze Wahrheit sagen, muss er nolens volens auch die unerfreulichen, zum Teil sogar schmerzlichen Erfahrungen protokollieren, riskiert also unter Umständen heftige Reaktionen derjenigen, mit denen er in seiner Autobiografie «abrechnet». Wählt er hingegen den Weg des geringen Widerstands...
Das Schlagwort «kulturelle Vereinnahmung» ist derzeit in aller Munde. Dazu passt perfekt, dass das Holland Festival in Amsterdam gerade eine neue Version des «Turandot»-Stoffs präsentiert hat (Uraufführung: 5. Juni im Muziekgebouw). «Turan Dokht» spielt nicht, wie die populäre Oper von Giacomo Puccini und die Schauspiele von Carlo Gozzi und Friedrich Schiller, in...
Frau Oropesa, Sie haben mit 25 das Lindemann Young Artist Development Program der Metropolitan Opera in New York abgeschlossen. Macht es das Sängerleben leichter oder schwieriger, wenn man gleich an der Met einsteigt?
Es macht es schwierig, weil man sofort schwimmen muss. Man hat keine Zeit, erst mal die Zehen ins Wasser zu strecken. Entweder du bleibst oben oder...