Welt, wie bist du so wüst!
Schon 1986 meinte Wolfgang Rihm in einem Essay, man könne Nietzsche nicht «vertonen». Man könne überhaupt nichts vertonen, am allerwenigsten Nietzsche. «Aber Anlass zu Musik kann ein Text schon geben, vor allem ein frei rhythmischer, gedichteter; vor allem ein dichterischer Text von Nietzsche.» Mehrfach begegnet uns Nietzsche in Rihms Œuvre: in der dritten Symphonie, in den «Fünf Abgangsszenen», im «Oedipus», im Lied-Zyklus «Umsungen». Die Gestalt Nietzsches, ihre Frag-Würdigkeit, steht ihm nahe, und er ihr.
Kein Zweifel: Die Dionysos-Dithyramben, erst spät, 1889, erschienen, sind ein solch freier, dichterisch offener Text. Mag der Wahn (-Sinn) oft darin spürbar sein, so wird doch beim Lesen evident, dass es sich um eine poetisch-philosophische Retrospektive handelt.
Zarathustra geistert durch die Verse wie so manch anderer Gedankensplitter aus Nietzsches Kosmos. Der Text ist ein inkohärenter Wortsteinbruch. Rihm greift Teile heraus, setzt sie neu zusammen, (be)nutzt sie als Grundierung für sein nunmehr zehntes, in Salzburg uraufgeführtes Musiktheater «Dionysos». Untertitel: «Eine Opernphantasie». Jedes Wort, das gesungen wird, stammt von Nietzsche; trotzdem ist das Libretto ganz ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Opernwelt September/Oktober 2010
Rubrik: Festspiele I, Seite 6
von Jürgen Otten, Gerhard Persché
PROGRAMMTIPP: 20 Jahre arte
Vor zwanzig Jahren entstand arte dank des Entschlusses von zwei Staatsmännern und zwei Ländern, den Grundstein für ein europäisches Kulturfernsehen zu legen. Es war ein historischer Wendepunkt: die Zeit der deutschen Wiedervereinigung. Und die nach dem Krieg begründete deutsch-französische Partnerschaft war eine wesentliche Unterstützung...
Zwei Prellböcke stehen auf der Bühne. Der Vorhang im Festspielhaus Bregenz ist noch geschlossen, da fällt schon der Blick auf die beiden stählernen Puffer, die wie Mahnmale erscheinen. Endstation Auschwitz. «Hier gibt es nur einen Ausgang. Durch den Schornstein des Krematoriums», singt in Mieczyslaw Weinbergs Oper «Die Passagierin» eine verrückt gewordene Alte...
Franco Leonis nachveristischer Einakter «L’oracolo», der 1905 in London seine Uraufführung erlebte, hatte durch den Einsatz des Baritons Antonio Scotti zunächst einen Langzeiterfolg an der New Yorker Met, verschwand nach dessen Bühnenabschied aber für Jahrzehnte in der Versenkung. Auch eine verdienstvolle Schallplattenproduktion der Decca (1975) unter Richard...