Warten auf Salome
«Where is Salome?» Richard Strauss sollte man vergessen, wenn die Komponistin Lucia Ronchetti und ihre librettistische Mitarbeiterin Tina Hartmann einen postfeministisch-ironischen Blick auf Oscar Wildes extrem reduzierten Text werfen. Drei Männer warten in Salomes Zimmer auf die biblische Gestalt: ein Knabensopran, ein Countertenor und ein Bass, die nacheinander die Rollen des Stücks – den Pagen, den jungen Syrer, der Selbstmord begeht, Herodes, die Stimme des Jochanaan und schließlich, als Transvestit, die Herodias – durchspielen.
Zu diesem Trio männlicher Sehnsüchte gesellt sich noch ein Blinder, der mit seiner Viola Salome imaginiert, aber immer wieder höchstpersönlich durch die Szene geistert. Salome – dies die Ausgangssituation – hat soeben das Zimmer verlassen, und alle hoffen, dass sie gleich zurückkommt. Aber sie tritt nicht auf – sie bleibt erotische Wunschprojektion.
Musikalisch lebt das Stück von den virtuosen Gesangspartien, die den Interpreten Daniel Gloger und Andreas Fischer auf den Leib komponiert sind, szenisch vom Spiel auf der Kippe, das der Regisseur Michael von zur Mühlen mit einem Minimum an Aufwand auf die kleine Bühne zu zaubern weiß. Ronchetti greift ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Dass Großbritannien ein Paradies für Exzentriker jedweder Couleur sei, ist keineswegs bloß ein wohlfeiles Klischee. Wohl in keinem zweiten Land der Alten Welt werden private Marotten, bizarre Gebräuche und Umständlichkeiten im öffentlichen Leben mit einer so weitherzigen, selbstverständlichen Toleranz bedacht (und zum Gegenstand eines erfrischend selbstironischen...
Zwei Werke, die auf den ersten Blick nichts miteinander gemein haben, Tschaikowskys lyrische Szenen «Eugen Onegin» und Richard Strauss’ Musikdrama «Elektra», rückten bei einer Doppelpremiere an der Deutschen Oper am Rhein nahe aneinander. Beide Male sind es Alpträume der weiblichen Hauptfiguren, mit denen die Regisseure – Giancarlo del Monaco im «Onegin» und Stein...
Ihren Höhepunkt erlebt Peter Grisebachs Bremerhavener «Bohème»-Inszenierung im zweiten Bild. Da ist die Bühnenmaschinerie des vor einigen Jahren runderneuerten Großen Hauses im Totaleinsatz, wenn Podeste sich heben und senken und die Terrasse des Café Momus von der Seite zunächst herein- und später wieder hinausgeschoben wird, alles belebt von bunt kostümiertem...
