Wandererfantasien

Ian Bostridge und Julius Drake setzen ihre Schubert-Erkundungen fort

Die Herren kennen einander. Natürlich nicht persönlich, Franz Schubert starb bekanntlich 1828, als Ian Bostridges Vorfahren noch gar nicht wussten, dass sie dereinst einen namhaften Liedsänger in ihrer Familie haben würden. Als solcher ist Bostridge seit Langem international anerkannt, zumal auf dem Gebiet der Schubert-Exegese; nicht zuletzt sein Buch über den Komponisten und dessen «Winterreise» verraten veritable Kennerschaft.


Das setzt sich auch in jenen beiden CDs fort, die Bostridges Schubert-Erkundungen live aus der Londoner Wigmore Hall dokumentieren, wie gewohnt an der Seite des Pianisten Julius Drake, mit dem ihn eine lange musikalische Partnerschaft verbindet. Routine kann ermüdend wirken. Nicht aber bei diesem Gespann, das sich in den mitgeschnittenen Konzerten auf der Höhe der Schubert-Interpretation zeigt. Die Phrasen sind wohlgeformt und ausbalanciert, die Artikulation ist nobel, das gesungene Wort besitzt so viel Gewicht wie die «begleitenden» Klänge, die bei Drake eben weit mehr sind als samtene Teppichauslegekunst. Viele der Klaviervorspiele werden zum wegweisenden Initial für das Kommende, so – um nur ein prägnantes Beispiel zu nennen – die tapsenden Achtel zu ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Januar 2019
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 24
von Jürgen Otten

Weitere Beiträge
Prinzip Hoffnung

Am Anfang war der Kuss. Innig umschlungen stehen eine Frau und ein Mann in der Bühnenmitte, liebkosen sich mit der Zärtlichkeit des ersten Mals und wollen selbst dann nicht voneinander lassen, als das aus dem Raunen der Kontrabässe sich entwickelnde, initiale Es-Dur anschwillt zum Wagner’schen Klangstrom, der vom Werden der Welt kündet. «Weia! Waga! Woge du Welle»...

Lust und Kontrolle

Galant, taktvoll sind solche PR-Jubiläen ja weniger. Zwei Jahrzehnte liegt die CD-Großtat zurück, ganze drei die Unterschrift unter dem Exklusivvertrag mit dem Label – wer mag da nicht gleich Altersberechnungen anstellen? Cecilia Bartoli kümmert das mutmaßlich wenig, weil man es ihr vor allem nicht anhört. «The Vivaldi Album» elektrisierte 1999 die Musikwelt und...

Unter Wechselstrom

Er zählt zu den schillerndsten Persönlichkeiten des russischen Kulturlebens: Vladimir Kekhman, Eigentümer und Chef des Mikhailovsky Theaters in Sankt Petersburg, Intendant des Opernhauses von Nowosibirsk. Ein Geschäftsmann, der zeitweilig abtauchte, weil gegen ihn in Steuerangelegenheiten ermittelt wird. Loyaler Unterstützter des Putin-Regimes und der orthodoxen...