Verwüstung ist kein Gedankenspiel
Natürlich ist es verrückt, beklemmend und auch bizarr, wenn man jetzt in eine Musiktheateraufführung geht, in der die Welt in Trümmern liegt, die Oper kaputt ist und seltsam seelenlose Wesen die Szenerie beherrschen. Wäre Ole Hübners Oper «opera, opera, opera! revenants and revolutions» wie geplant vor zwei Jahren bei der Münchner Musiktheater-Biennale 2020 herausgekommen, sie wäre ein weiteres Beispiel für die Lust an der Dystopie gewesen, die einem seit geraumer Zeit auf den Bühnen immer wieder begegnet.
Aber die Pandemie machte die Festival-Ausgabe unmöglich, und jetzt herrscht nun einmal Krieg in Europa, Verwüstung ist kein Gedankenspiel mehr. Auch das, was von der einst geplanten Produktion übrig ist, ist nur noch deren Ruine. Die nun im Utopia in München nachgeholte Uraufführung trägt jetzt den Titel «Opera und ihr Double».
Als die Biennale 2020 abgesagt wurde, machten sich deren Leiter Daniel Ott und Manos Tsangaris an den Plan, möglichst viele der geplanten Uraufführungen zu retten und bis zur nächsten Ausgabe des Festivals, die im Mai dieses Jahres stattfinden wird, herauszubringen. Manches davon konnte nur digital realisiert werden, «Opera und ihr Double» ist die letzte ...
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Opernwelt Mai 2022
Rubrik: Magazin, Seite 86
von Egbert Tholl
Der Dichter fabuliert im nächtlich narkotisierten Raum. Und eigentlich will er nur seiner Liebe Ausdruck verleihen. Doch das ist passé, die Angebetete hat ihn zurückgewiesen. Also zwinkert er ihr, mit gespitzter Feder, ein letztes Mal zu: «Sing nicht, du Schöne, sing nicht mehr, / Grusiniens gramerfüllte Lieder. / Sie rufen ferne Ufer her, / Sie wecken altes Leben...
Es ist etwas Seltsames um Leoš Janáčeks «Jenůfa»: Eigentlich haben wir heute keinen Bezug mehr zu einer moralinsauren, ländlichen Welt von vor anderthalb Jahrhunderten, in der eine uneheliche Schwangerschaft das ganze dörfliche Leben auf den Kopf stellt und nicht nur den werdenden Eltern, sondern sogar deren Ziehmutter immerwährende Schande bereitet. Aber wir...
Noch schwerer als den Auftrag für eine Uraufführung zu bekommen, ist es für einen Opernkomponisten heute, ein Theater zu finden, das eine auch medial meist wesentlich weniger beachtete Nachaufführung wagt. Selbst renommierte Tonsetzer wie Aribert Reimann, Wolfgang Rihm oder Manfred Trojahn tun sich damit schwer. Umso erfreulicher, dass Mannheim jetzt eine Oper...
