«Unser Elend, unser Weiterkommen»
Das Schicksal des «Deutschen Miserere» von Bertolt Brecht und Paul Dessau ist denkwürdig. Umso mehr, da es erst jetzt, sieben Jahrzehnte nach seiner Entstehung, auf einer Opernbühne erscheint. Das packende Stück war als Oratorium gedacht, entstand während des Zweiten Weltkriegs im US-amerikanischen Exil, wurde aber erst 1966 in der DDR konzertant aufgeführt, 1989 erstmals in der Bundesrepublik.
Musiktheater ist es in der Tat: Die Wucht der Zeitzeugenschaft in Drittem Reich und Weltkrieg sowie die Kraft der Brecht-Epigramme aus seiner «Kriegsfibel» erzeugen emphatische Bilder von der kollektiven Katastrophe, beglaubigen eine dramatische musikalische Durchschlagskraft in den großen Chortableaux. Unbegreiflich, dass das Opernhafte darin bisher niemand erprobt hat.
Dem pazifistischen Antikriegsbekenntnis schlug in der Restauration nach dem Weltkrieg Misstrauen entgegen, der Plan einer Uraufführung 1950 unter Leipzigs Gewandhauskapellmeister Franz Konwitschny scheiterte. Dass Peter Konwitschny, der 1945 geborene Sohn des Dirigenten, als Chefregisseur der Leipziger Oper nun das Stück szenisch realisieren lässt, legt den Gedanken an eine wenigstens partiell funktionierende historische ...
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Opernwelt April 2011
Rubrik: Im Focus, Seite 18
von Wolfgang Schreiber
Der Wald steht schwarz und schweiget keineswegs. Kleine Lichtschneisen durchzittern sein dichtes Laub, geben uns ein Gefühl für seine prächtigen Baumkronen. Aus dem Geäst kommen Fanfaren und Stimmen. Menschen? Naturwesen eher, bemoost am ganzen Körper oder mit Blättern überzogen. Oder doch Soldaten mit Grasbüscheln auf den Helmen? Schwer zu sehen, schwer zu sagen....
Zwei unterschiedlich große, weiße Kreise werden auf die dunkle Bühnenwand projiziert, ein schwarzer Monolith bricht auf und offenbart im Inneren einen Diamanten. Robert Wilson schafft Bilder von rätselhafter Schönheit. Er verführt mit seinem fremden Blick. Er dehnt die Zeit und öffnet den Raum. Es verwundert, dass nach dieser grandiosen «Norma»-Premiere lautstarke...
Angeblich liegt Jules Massenets Oper «Hérodiade» Gustave Flauberts gleichnamige Erzählung zugrunde. Flaubert freilich hält sich in diesem Spätwerk genau an den biblischen Befund, wie ihn auch Strauss’ «Salome» in etwa wiedergibt. Diese kurze Geschichte (bei Strauss reicht sie ja auch nur für einen Einakter) schien für eine Grand Opéra ein bisschen dürftig, und so...