Überreife Frucht
Inzest ist auf der Opernbühne keine Seltenheit. Ganz offen wird das Tabuthema Geschwisterliebe in Richard Wagners «Walküre» verhandelt, missbräuchliche Vater-Tochter Begierden rumoren gefährlich auch in Richard Strauss’ «Salome» und bilden so den Urgrund für das vom Todestrieb besessene Begehren der Titelfigur.
Wie sich überhaupt dysfunktionale Familienstrukturen sowie der Sog verbotener, zerstörerischer Lust wie ein roter Faden durch Spätromantik, Impressionismus und Expressionismus bis in die Moderne ziehen, von Claude Debussy, Alexander Zemlinsky, Franz Schreker und Erich Wolfgang Korngold bis zu Alban Berg.
Eine in schwüler Vorkriegsluft bis zur Überreife vergorene Frucht dieser Strömung, in der sich weit mehr als nur eine Mode ausdrückt, ist Rudi Stephans 1914 vollendete Oper «Die ersten Menschen», deren gleichnamige Textvorlage (Otto Borngräber) im Untertitel drohend als ein «erotisches Mysterium» bezeichnet wird. Der 1887 in Worms geborene, 1915 bei Tarnopol im Alter von nur 28 Jahren gefallene Stephan zählte zu den Komponisten an der Schwelle zwischen Spätromantik und Moderne und galt zu Lebzeiten als große Hoffnung. Sein früher Tod ließ sein im Umfang schmales Œuvre in ...
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Opernwelt August 2021
Rubrik: Im Focus, Seite 10
von Regine Müller
Auf das Pandemie-Pech mit seiner sieben Monate anhaltenden Pause des Spielbetriebs folgte zur Wiedereröffnung das pure Primadonnenglück: Mit Händels frühem venezianischen Erfolg «Agrippina» wagte die Hamburgische Staatsoper zudem das Fernduell mit dem deutschen Branchenprimus, der Bayerischen Staatsoper in München. Denn von der Isar an die Alster wurde nun die...
Fangen wir ganz weit vorne an. Bei Orpheus, dem Ur-Sänger. Orpheus erhob seine Stimme, um die Götter zu besänftigen, er wollte seine geliebte Eurydike zurück, die im Totenreich weinte. Was er mit seiner Stimme und der Lyra vermochte, vergeigte der Sehnende allerdings durch seinen Argwohn. Weil er der Kraft der vokalen Überwältigung misstraute, schaute Orpheus sich...
62. Jahrgang, Nr 8
Opernwelt wird herausgegeben von Der Theaterverlag – Friedrich Berlin
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