Übercandidelt
Der Schlausten einer ist er nicht – wohl aber einer der naivsten. Von einer Katastrophe in die nächste taumelt der arme Candide. Anscheinend immer zur falschen Zeit am falschen Ort, gerät er als Soldat in den Krieg, in die Fänge der Inquisition, wird zum Mehrfachmörder und überlebt – auf wundersame Weise, wie alles andere – selbst das schwerste Erdbeben. Und als er schon das Schlimmste überstanden hat, dämmert ihm langsam, dass diese Welt doch nicht «die beste aller möglichen Welten» ist, wie es ihm sein Lehrer einbläute.
Wiederholt trifft er während seines Ritts um den Globus diesen Doktor Pangloss, seine Liebste Kunigunde und die anderen Mitschüler – allerdings nur, um sie sogleich erneut zu verlieren. Candide, der Tropf. Trotz allem ein Optimist bis zum Schluss: dem kollektiven Rückzug in die Natur.
Mit Voltaires «Candide» vertonte Leonard Bernstein jenes Stück, mit dem der Autor den Leibniz’schen Optimismus ad absurdum führt. Das Absurde nahm Barrie Kosky als Auftrag für seine Inszenierung dieser Odyssee durch die Unwahrscheinlichkeiten an der Komischen Oper in Berlin. Das Stück ist schwer zu fassen, changiert zwischen Musical, Operette – und wohl auch Oper. Der Wortanteil ...
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Opernwelt Januar 2019
Rubrik: Panorama, Seite 36
von Nora Sophie Kienast
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