Über allen Gipfeln keine Ruh'
Dort, wo sich viele «Tristan»-Aufführungen szenisch ziehen, im dritten Akt beim großen Fiebermonolog des Titel-Antihelden, wird es diesmal spannend. Wir erleben nicht nur einen Tenor, der mit seiner Partie ringt, sondern sehen – in diffuses Rot getaucht – Tristan als Kind. In einer Mischung aus Uterus und Dante’schem Fegefeuer wird schlagartig das Trauma dieser Vollwaise deutlich. Plötzlich wirken eingeblendete Naturbilder von schwarzen, engstehenden Baumstämmen plausibel, verkehrt sich die Außen- in eine Innenperspektive, verschwimmen die Zeitebenen.
Tristans Angst wird als Todessehnsucht regelrecht sichtbar. Dieser Mensch, der die Wunden seiner Kindheit in sich trägt, kann gar nicht anders, als sich mit allem, was er tut, gegen sich selbst zu richten. Endlich – es ist ja spät am Abend – finden die aus Videos, gebauten Räumen und Licht zusammenkomponierten Szenenbilder im Baden-Badener Festspielhaus zu einer schlüssigen Grammatik. Für ein paar Minuten bekommen der polnische Regisseur Mariusz Trelinski und sein Team das Stück in den Griff.
Zwei Akte lang hatten sie versucht, «Tristan und Isolde» auf die Realität eines Kriegsschiffes herunterzubrechen und der von Wagner ...
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Opernwelt Mai 2016
Rubrik: Im Focus, Seite 6
von Stephan Mösch
Macbeth
Gleich zwei Schweizer Opernhäuser bringen Verdis Shakespeare-Drama heraus. In Zürich spitzen Teodor Currentzis und Barrie Kosky das Stück dunkel zu (mit Markus Brück in der Titelpartie); in Basel widmen sich Erik Nielsen und Olivier Py Macht und Mord.
Agneta Eichenholz
Ihre Rollen bereitet die Sopranistin stets von langer Hand vor – und entwickelt dabei in...
Der Captain kratzt sich. Nervös zieht er die Finger den Arm entlang, schabt die Nägel über den Nacken. Das Publikum soll verstehen: Hier will einer aus seiner Haut. Machthunger quält ihn. König Arthur liegt im Sterben, und Königin Ginevra kann das Vakuum nicht füllen – ihre Tage verbringt sie, mit dem Schicksal hadernd, im Bett.
Ein sieches Reich entwirft die...
Das also ist das Elysium. Diese knallbunte Skulptur, die ein bisschen nach kunstvoll zusammengedrückten Pappstreifen aussieht. Ein Dichterhimmel wohl: Choristen lümmeln darauf, durch Sonnenbrillen lesend. Sonst sieht nicht viel nach Star-Architektur aus im neuen «Orfeo» der Berliner Staatsoper – und das ist auch besser so. Nichts gegen das Gefältel. Aber sollte ein...