Todestanz

Lorenzo Fioroni inszeniert Verdis «La forza del destino» am Saarländischen Staatstheater in Saarbrücken als verstörendes Welttheater

Zwei Wochen nachdem Peter Konwitschny in Linz Verdis wegen ihrer angeblich krausen Handlung eher selten gespielte Oper «La forza del destino» auf bare 90 Minuten skelettiert hatte (OW 3/2023), präsentierte Lorenzo Fioroni in Saarbrücken das Melodramma in erschlagender Vollständigkeit. Gespielt wurde die Mailänder Zweitfassung aus dem Jahr 1869. Es war ein langer, großer, am Ende stürmisch gefeierter Abend, den man so schnell nicht vergisst, weil seine Bilder mit verstörender Genauigkeit wie beschwörender Intensität tief im Gedächtnis brennen.

Verdi hat hier ein Welttheater entworfen, das in seiner experimentellen, multiperspektivischen Dramaturgie mit ihren schroffen Brüchen und fragmentierten Erzählweisen bewusst an Shakespeare anknüpft. Wie in einem Kaleidoskop wechseln Schauerdramatik und Genrebilder, Rührung und Groteske, Utopie und Fatalismus blockhaft miteinander ab. Die Menschen, hoch wie niedrig geborene, sind auf der Flucht – vor der Welt, dem Krieg, den gesellschaftlichen Instanzen von Staat, Kirche und Patriarchat, nicht zuletzt vor sich selbst. 

Was Fioroni, Bühnenbildner Ralf Käselau und Kostümbildnerin Katharina Gault auf die Szene setzen, ist höchste poetische ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt April 2023
Rubrik: Im Focus, Seite 4
von Uwe Schweikert

Weitere Beiträge
Zauberschön!

Der englische Regisseur James Bonas feiert mit «Ariadne auf Naxos» in Magdeburg (man spielt die spätere, mit einem langen «Vorspiel» bestückte Fassung) sein Deutschland-Regiedebüt. Und er darf gerne, sehr gerne wiederkommen! Das «Vorspiel» inszeniert Bonas auch als solches, lässt die Sängerinnen und Sänger (nebst Schauspielerin Susi Wirth als rauchig-genervtem...

Mit Fleiß und Akribie

Selbstlob stinke nur dem Neider, soll Goethe gesagt haben. So nimmt man denn mit Schmunzeln zur Kenntnis, dass Claudia Behn Rezensionen zu ihrer Biografie über die Koloratursopranistin Rita Streich (1920–1987) gleich selbst verfasste: Dies wäre «ein wunderbares, interessantes und flüssig lesbares Buch, das sich auch als Weihnachtsgeschenk für Opernliebhaberinnen...

Ein Meilenstein

Unter den vier großen französischen Opern Meyerbeers fristet die erste eine Existenz als armer Verwandter. Das Werk von 1831 erscheint nur noch selten auf der Bühne, bis heute wurde es nie im Studio eingespielt. Dieses Desinteresse hängt wohl wesentlich mit dem Mix aus komischen und tragischen Elementen zusammen. Die italienische Opera semiseria sollte um 1850...