Theater des Lebens
In Marco Štormans Stuttgarter Inszenierung von Wagners «Götterdämmerung» ist die Apokalypse bereits vorüber, wenn sich der Vorhang hebt. Die verdorrte, von Wotan selbst abgeholzte Weltesche schwebt wie ein Menetekel als Strandgut vom Schnürboden herab. Wenn sie am Ende wiederkehrt, begräbt sie den im Rheinrinnsal gierig nach dem Ring fischenden Hagen und erschlägt ihn. Hagen ist der Politiker, der den Untergang herbeiführt.
Mit diesem Bild setzt Štorman zwei Zeichen, die seine Deutung von Wagners Kosmos tragen: einmal die Selbstreferentialität von Kunst, sich nur im eigenen Medium erklären zu können; zum zweiten, dass es, anders als in den drei vorausgehenden, in der Welt der Götter spielenden Teilen der «Ring»-Tetralogie, die Menschen selbst sind, die ihr Schicksal gestalten.
Beides hat seinen Grund in der Dramaturgie der «Götterdämmerung», deren Entstehung nicht am Ende des Weltendramas, sondern, als Einzelstück geplant, an seinem Anfang stand. Mit Ausnahme der einleitenden Nornenszene und Brünnhildes Schlussgesang ist es kein Ideen-, sondern ein Intrigendrama – eine Grand Opéra Meyerbeer’schen Zuschnitts mit all ihren veralteten Formen wie Hagens Monolog, dem Mannenchor, dem ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Opernwelt März 2023
Rubrik: Im Focus, Seite 10
von Uwe Schweikert
Bei Alfred-Hitchcock-Fans sorgt die Szene für wahre vibrations. Während draußen ein Gewitter tobt, kehrt Marnies Erinnerung zurück: Sie kam als kleines Mädchen ihrer Mutter, die danach alle Schuld auf sich nahm, zur Hilfe und erschlug deren brutalen Freier mit einem Schürhaken. Jetzt kann Marnie alias Tippi Hedren befreit von der Last ihrer Vergangenheit ein neues...
Vor Filmaufnahmen von rauschenden Wellen steht ein Betonklotz mit Kanone, darauf ein achtköpfiges Instrumentalensemble mit Sonnenbrille und Pilzkopf. Schließlich hebt sich die Leinwand und enthüllt eine mit Schaumstoff isolierte Sprecherkabine inklusive Mikrofon, darüber blinken in leuchtenden Lettern die Worte «on air». Diese kuriose Bühnenbildanordnung beruht auf...
Am Staatstheater Cottbus ist Stephan Märki nicht nur als Regisseur von Wagners «Tristan und Isolde» angetreten, sondern macht als Intendant aus der Premiere zudem ein Event. Im Graben setzt GMD Alexander Merzyn mit dem Philharmonischen Orchester weniger auf einen suggestiven Klangrausch als vielmehr auf den vitalen Kern, der letztlich hinter jeder Wagner’schen...