Struktur, Effekt und Avantgarde

Zum Tod des britischen Komponisten Harrison Birtwistle

Zu den überragenden Musiknationen gehören in erster Linie Italien, Frankreich, Deutschland und Russland – zumindest dann, wenn man deren Bedeutung an der Zahl und überzeitlichen Bedeutung der dort wirkenden Komponisten ermisst. Ein überaus produktives, zumal hauptstädtisches Musikleben in Konzert wie Oper sowie eine reiche Tradition auch des Populären ließ (und lässt) die Großinstitutionen umso prächtiger strahlen. So gesehen galt London lange weltweit als Musikhauptstadt Nummer eins, weniger aber als Dorado umstürzlerischer Komponisten.

Natürlich gab es grandiose Renaissance-Meister und erst recht den «Orpheus Britannicus» Henry Purcell; radikale ästhetische Innovation fand sich indes eher in Literatur, Theater und Malerei. Puritanismus und Pragmatismus mögen ihren Anteil an der Reserve gegenüber strikt avancierter britischer Musik gehabt haben. Selbst Benjamin Britten oder Michael Tippett blieben in den «Fortschritts»-Zentren Darmstadt, Donaueschingen oder Köln periphere Erscheinungen. Drei britische Komponisten unterschiedlicher Art standen für eine entschieden antikonservative Richtung: Cornelius Cardew, ein abtrünniger Stockhausen-Schüler, der sich immer mehr politisierte und ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt 6 2022
Rubrik: Magazin, Seite 94
von Gerhard R. Koch

Weitere Beiträge
Und die Sterne leuchten doch

Große Theaterabende, sei es im Schauspiel oder in der Oper, zeichnen sich durch drei Dinge aus. Erstens erscheint die dramatische Handlung als so stark verdichtet, plausibel und (erschütternd) logisch, dass man sich im Zuschauerraum fühlt, als würde man selbst auf der Bühne stehen und erleiden, was den Figuren widerfährt. Zweitens: Man vergisst von Zeit zu Zeit zu...

NOBLESSE OBLIGE

Wie das Idyll klingt, wenn es besungen wird? Vielleicht so: zart und irisierend in seinen stimmlichen Nuancen, anmutig und sanft in den aufgelockerten, sanft dahinfließenden Begleitfigurationen des Klaviers; als Ganzes versehen mit einem Aroma, das nach Frühling duftet, nach wolkenlosem Himmel, roten Rosen und durch Sonnenstrahlen hindurch flatternden...

IMPROVISATION IST TRUMPF

Wie oft haben wir schon einen «Così fan tutte»-Abend verbracht – beseelt von dieser in musikalischer Hinsicht berührendsten der drei Mozart-Da-Ponte-Opern, aber unzufrieden mit der szenischen Umsetzung. Es ist aber auch ein Schwieriges um diese erotische Versuchsanordnung mit den gemischten Doppeln (Fiordiligi und Guglielmo hier, Dorabella und Ferrando dort) sowie...