Pas de deux mit dem Tod

Krzysztof Warlikowski verliert sich an der Bayerischen Staatsoper in «Salome», Kirill Petrenko legt unnachahmlich die Strukturen der Musik frei, Marlis Petersen debütiert in der Titelpartie

Es gibt diese Abende, von denen zu erzählen spannender ist als sie selbst. Die neue Münchner «Salome» ist so ein Abend. Im Programmheft steht ein glänzend redigiertes Interview mit dem Regisseur Krzysztof Warlikowski. Überhaupt ist dieses Programmheft – zusammengestellt von den Dramaturgen Miron Hakenbeck und Malte Krasting – ein Muster an Sorgfalt in Text und Bild, ausgewogen in der Mischung zwischen allgemeiner Information und einer leidenschaftlichen Nähe zur Aufführung. Warlikowski also setzt sich zunächst von gängigen «Salome»-Deutungen ab.

Geschlechterkampf, femme fatale, monströse Weiblichkeit – das alles klebe doch sehr an der Entstehungszeit des Stücks. Er schiebt damit den Paten Sigmund Freud weg, verweist auch auf die Löchrigkeit der historischen Bezüge. Letztlich sei die ganze Sache mit Kuss und Kopf ein «Märchen».

Sein Gegenmodell klingt faszinierend, und sieht zunächst auch so aus: «Salome» in einer Ghetto-Situation, wahrscheinlich in Polen. In der NS-Zeit kommen Juden schutzsuchend in einer Talmud-Bibliothek zusammen. Die Anspannung ist extrem. Zwischen Klaustrophobie und Todesangst spielen sie sich antisemitische Kabarettszenen vor: ein stummer Prolog, zu dem – ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt August 2019
Rubrik: Im Focus, Seite 4
von Stephan Mösch

Weitere Beiträge
Wie in Trance

Diesem Mann ist nicht zu helfen. Während seine einstige Liebe Stella im Theater singt, sehen wir den erfolglosen Dichter Hoffmann im Bistro nebenan, hin- und hergerissen zwischen Schreiben und Trinken. Um ihn herum stapeln sich die getippten Manuskriptseiten, aus dem Off erklingen die Geister des Bieres und des Weins, bis er schließlich betrunken am Boden liegt....

Halfpipe des Lebens

Die Bühne stellt das aufgeschnittene Untere eines Schiffsrumpfs dar, oder eine sehr große Halfpipe. Nicht einfach, da hineinzurutschen; noch schwerer, wieder herauszukommen. Von oben, vom Rand aus, ist es ein Abgrund. Mit Michael Thalheimers Konzept für seinen «Macbeth» an der Opera Vlaanderen hat das zu tun, insofern Henrik Ahrs streng geteilter Raum eine rigide...

Realgroteske

Als Violetta sich am Ende ihrer Vergangenheit erinnert, zieht im hörbaren Hintergrund ein Karnevalszug vorbei: «Addio del passato». Es ist eine treffliche Pointe, dass uns Katharina Gault die im Schlussbild von «La traviata» unsichtbare Spaßgesellschaft vorab in den beiden großen Massenszenen der Oper in farbenprächtiger Deutlichkeit vor Augen führt – als...