Stille Grösse

Er machte nicht viele Worte, versetzte Berge mit winzigen Gesten. Die Tiefenwirkung seines Musizierens beruhte auf Suggestion.Ob als Musikdirektor der Mailänder Scala und der Wiener Staatsoper, ob als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker oder als Orchestergründer – CLAUDIO ABBADO ist immer ein Musiker geblieben, der an die Kraft des Geistes glaubte. Abschied von einem Visionär der Klangkunst

Erstaunlich eigentlich die enorme Außenwirkung eines Musikers, dem es um die Tiefenwirkung des Musizierens ging. Auch um Einflussnahme in die Breite der Gesellschaft, Ermutigung der jungen Generation. Alle Nachrufe auf Claudio Abbado zeugen von aufrichtiger Bewunderung für den Dirigenten, vielleicht gerade deshalb, weil er bei allem Arbeitseifer ein nach innen gekehrter Künstler geblieben war. Wer ihn kennenlernte, wusste bald: Abbado, der Wortkarge, zog sich gern zurück, er mied die Tagesmedien, scheute aber nicht den intensiven Dialog. Ließ ergiebig die Tonträger sprechen.

Am Dirigentenpult sagten seine Gesten und Blicke mehr als Worte, allein der in Noten und Schrift geronnene Geist der Musik schienen ihn zu beflügeln.

Erstaunlich mag für manchen Bewunderer der späten vergeistigten Dirigierkunst Abbados genauso die Tatsache gewesen sein, dass er schon früh als engagierter Operndirigent hervortrat. Abbado suchte viele Jahre lang die bunte Lebendigkeit der Opernbühne, so wie er dem Bilderreichtum anderer Kunstsparten – des Films, der bildenden Künste – intensiv zugetan war. Achtzehn Jahre lang, zwischen 1968 und 1986, führte Abbado die musikalischen Geschicke des Teatro alla Scala ...

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Opernwelt März 2014
Rubrik: In Memoriam, Seite 18
von Wolfgang Schreiber

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