Sternstunde eines «Stück-Werks»

Wagners «Siegfried» des Regiegespanns Wieler/Morabito von 1999 als Neueinstudierung an der Oper Stuttgart

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Stück-Werk» hieß das Ziel, das der Stuttgarter Opern-Intendant Klaus Zehelein 1997 ausgab, nachdem er sich mit dem für die geplante Neuinszenierung von Wagners «Ring des Nibelungen» vorgesehenen Regisseur Johannes Schaaf zerstritten hatte und eine andere Lösung suchte. Dass das Ganze das Unwahre sei, hatte er einst bei Adorno gelernt. «Wagners Arbeit am Ring», so die zentrale Aussage seines Konzepts, «zeugt von der Obsession des Denkens des wahren, geschlossenen Ganzen ebenso wie von der Erfahrung, dass aus den Stücken nie ein Ganzes, Geschlossenes geschaffen wird».

Garant für diese Hinterfragung, ja Dekonstruktion der Totalität, die die Brüche und Narben von Wagners Gesamtkunstwerk an der Wende zum 21. Jahrhundert offenlegen wollte, sollte die Verpflichtung von vier verschiedenen Regieteams sein. Das «Ganze» mussten sich die Zuschauer selbst zusammensetzen. Trotz des Medien- und Publikumserfolgs wurde es ein «Stück-Werk» im doppelten Wortsinn, weil zwei der vier Teile («Rheingold» und «Walküre») an der analytisch-visionären Durchdringung der Partitur scheiterten – und doch war es ein weit nachwirkender Paradigmenwechsel, der in der jüngsten Geschichte der «Ring»-Inszenierungen nur ...

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Opernwelt 12 2022
Rubrik: Magazin, Seite 76
von Uwe Schweikert

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