Sehen und Gesehenwerden
Schwer zu sagen, wer sie ist. In Antwerpen ist Mélisande anfangs noch ein Mädchen. Aber je länger es sich in den Schnüren verstrickt, die sich zu magischen Dreiecken formen, am Ende gar zu einem Stern, desto mehr wandelt sie sich zur Spinnwebfrau: eine schimmernde Gestalt, durchscheinend fast im fleischfarbenen Kostümgespinst von Iris van Herpen, das sie mehr ent- als verhüllt. Sie könnte von einem unbekannten Planeten stammen, beauftragt mit einer Mission. Der Raum deutet darauf hin: Schwarz gewölbt, gleicht er einem Observatorium.
Und wie mit dem Hubble-Weltraumteleskop fotografiert, werden auf einer kreisrunden Projektionsfläche darin denn auch immer wieder ferne Galaxien sichtbar, die einen das Außerirdische ahnen lassen, das sich hier ganz weiblich in einem «Beziehungsgeflecht» gestaltet. Fast ist man versucht, von einem Astralleib zu sprechen. Doch den kann man bekanntlich nicht schwängern. Dennoch geschieht dies im weiteren Verlauf der Oper, wird aber nicht wirklich erklärt. «Ne me touchez pas, ne me touchez pas», singt Mélisande, als sie Golaud gleich zu Beginn in Besitz nehmen will.
Sidi Larbi Cherkaoui und Damien Jalet haben Debussys tragédie lyrique gemeinsam inszeniert ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Opernwelt März 2018
Rubrik: Im Focus, Seite 8
von Hartmut Regitz
Nur einem von Emil Nikolaus von Rezniceks 25 Bühnenwerken war ein durchschlagender Erfolg beschieden – der 1894 uraufgeführten «Donna Diana». Auf den Spielplänen sucht man die Oper zwar immer noch vergebens, aber ihre spritzig-eingängige Ouvertüre überlebte im Konzertsaal und ist vermutlich älteren Semestern noch im Ohr als Markenzeichen des ZDF-Musikquiz’...
Geht es um Belcanto, «geben sich die Produzenten meist damit zufrieden, um ein paar Vokalstars herum dekorative Arrangements zu schaffen», habe ich aus früherem Anlass einmal moniert. Wie schön, dass ich jetzt von drei prominenten Gegenbeispielen berichten kann, bei denen die Regisseure die szenischen Herausforderungen und Möglichkeiten, die in den Stücken stecken,...
Schwarzes Dunkel. Tödliche Stille, nur durchbrochen von katarrhalischem Ventilatorenatem. Und dann, wie aus dem Nichts, dieses knappe, punktierte Motiv, die Solobratsche spielt es. So leise, dass man es kaum vernimmt. Und so bruchstückhaft, dass es zur Melodie sich partout nicht fügen will. Wie eine Floskel, die nach mehr sucht, es aber nicht findet, klingt diese...