Schuld und Sühne

Wie sich die Bilder doch unterscheiden: Verdis «Simon Boccanegra» als seelentiefes Forschungsstück in Essen und als Oberflächenetüde in Berlin

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Diese Oper war sein Schmerzenskind. Düster war dieses Kind, «weil es düster sein muss» (so der Schöpfer am 2. Februar 1881 an den Lebensfreund Opprandino Arrivabene), durchtränkt von einer zutiefst pessimistischen Menschensicht und versehen mit einem aus drei Tintenfässern stammenden Libretto, das Eduard Hanslick anlässlich der Wiener Erstaufführung ein Jahr nach dem Premierenfiasko in der Serenissima zu der Formulierung veranlasste, in diesem Werk würde «eine unsinnige Handlung ruckweise» vorwärtsgeschoben.

Was stimmt: Das Geschehen ist reichlich diffus in Verdis «Simon Boccanegra», für den Laien kaum durchschaubar; die dramaturgische Logik sucht sich mehr oder minder verzweifelt ihren Weg durch dieses mit Unwahrscheinlichkeiten prallgefüllte Dickicht; und sogar die Musik selbst steht sich bisweilen im Weg – jedenfalls in der Mailänder Fassung, die in toto gelungen ist, die Metamorphosen dieses Werks aber kaum verbergen kann; zu immens sind die Unterschiede zwischen dem «Original» (1857) und seiner «Bearbeitung» (1881). Und doch: Dieses dunkel-fatalistische Melodramma, dessen Grundlage das Schauspiel «Simón Bocanegra» von Antonio García Gutiérrez bildet (der spanische Romantiker ...

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Opernwelt März 2023
Rubrik: Im Focus, Seite 6
von Jürgen Otten

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