Postmoderner Histoschinken
Der Wunsch, von den Visionen wie Zumutungen des Regietheaters endlich verschont zu werden, scheint groß zu sein. Anders lässt sich der rauschende Publikumserfolg der einfallslos-sterilen Inszenierung von Verdis früher Oper «Giovanna d’Arco» durch das Videoduo fettFilm in Bonn nicht erklären.
Momme Hinrichs und Torge Møller verorten die Geschichte der Jeanne d’Arc, wie Verdis Librettist Temistocle Solera sie sich aus Schillers romantischer Tragödie zusammengestoppelt hat, auf einer steil ansteigenden, von zwei monumentalen Portalen gerahmten Freitreppe und bespielen diese wuchtige Einheitsszenerie mit surrealen Videoanimationen – Bildern, die gefällig anzusehen sind, aber nirgendwo übers kitschig Dekorative (wie die für Giovanna aufblühenden Rosen) hinauszielen, gar Tiefenschichten der Handlung erschließen.
Aufs Regieführen haben die beiden bei ihrer ersten eigenen Operninszenierung gleich ganz verzichtet. Die Chormassen sind meist zu statischen Tableaus auf den Treppenstufen eingefroren, die Hauptfiguren mit Händeringen, Arme ausbreiten, Gestikulieren und Schulterklopfen aus dem abgestandensten Opernfundus unbeholfen sich selbst überlassen. Gewiss macht Verdis reichlich ...
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Opernwelt Dezember 2014
Rubrik: Panorama, Seite 38
von Uwe Schweikert
Trotz ihrer erfolgreichen Weltpremiere an der New Yorker Met im Jahr 1910 findet man Puccinis «Fanciulla del West» nur gelegentlich auf den Spielplänen. Umso erfreulicher, dass sich die English National Opera nach 50 Jahren nun erstmals wieder zu einer Produktion des Dreiakters entschlossen hat. Und dass Richard Jones, sonst eher für ironische bis surreal-groteske...
Mist. Es weihnachtet schon wieder. Nicht, dass ich diese Jahreszeit nicht mag. Nur ist für uns Sänger jetzt sozusagen rush hour. Früher hieß Weihnachten für mich vor allem, «Messias» singen. «Messias», «Messias», «Messias», bis zum Abwinken. Ich wette, meine deutschen Kollegen würden dasselbe über das «Weihnachtsoratorium» sagen. Bloß der Satz wäre viel länger.
Als...
Er atmet schwer, der alte Mann. Einen weißen Leinenanzug hat er angelegt. Als werde es bald Frühling oder Sommer in seinem leeren Lebensabendbunker. Schlurft hierhin, dorthin, hält inne, horcht und blinzelt, ob sich was regt im Halbdunkel zwischen den anthrazitgrauen Wänden. Aber es bleibt still. Kein Laut, nirgends. Nicht mal der schüttere Herbstlaubregen, der aus...