Original und Palimpsest
Dichtertum und Trunkenheit: Man kennt das in Graz. Werner Schwab starb vor fast zwölf Jahren in der Silvesternacht, Magic Wolfgang Bauer erst vor wenigen Wochen, beide wohl an alkoholischer Erschöpfung. So trifft das zerrüttete Bild, das der Titelheld am Schluss von Offenbachs «Hoffmanns Erzählungen» in Tatjana Gürbacas Grazer Inszenierung bietet, einen bekannten Nerv. Gerade noch bereit zum rasanten Abflug ins Reich der Fantasie, liegt er stockbesoffen auf der Gangway, als Transe mit Perücke und Stöckelschuh.
Letztere sind Fetische, übrig geblieben aus seinen Traum- und Zerrbildern von der idealen Frau.
Der Trost der Muse und des «Chors der unsichtbaren Geister» – der sich hier als Publikum eines Kunst-Events materialisiert – klingt wie der pure Hohn: Dein Unglück, Künstler, macht deine Kunst erst möglich. «Nicht der Mensch zählt, sondern einzig, was er schafft», beschrieb Egon Voss diesen Schluss in einem wichtigen «Hoffmann»-Essay, den Tatjana Gürbaca wohl gut verinnerlicht hat. Zumindest faltet sie einige der dort geäußerten Ideen überzeugend für die Bühne auf. Etwa die Figur der Muse als Öffentliche Meinung und als Hoffmanns Managerin. Die vielseitige Sophie Marilley, an ...
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Manchmal weiß man schon nach wenigen Sekunden, wie musikalisch ein Regisseur, eine Regisseurin ist. An diesem Abend in Magdeburg, der voller musikalischer Zweifel steckt, weil das von Alexander Steinitz geleitete Orchester einen rabenschwarzen Tag erwischt hat, genügt die Ouvertüre, um solches festzustellen. Vorne, vor dem noch geschlossenen Vorhang, sitzen...
Hector Berlioz ging mit seinem erfolgreichen Kollegen Gaetano Donizetti einmal hart ins Gericht, indem er ihm vorwarf, aus der Musik «eine Art Kartenspiel (zu machen), aus dem er hier ein Herz-Ass verteilt, dort ein Treff-Ass oder einen Carreau-Buben». Der Vorwurf zielte auf die Neigung des Italieners zum musikalischen Recycling, die freilich in einer Epoche...
Eine Oper mit einer von Liebe und Intrigen bestimmten, schlüssig und mit einem Schuss Kolportage ausgebreiteten Handlung, dazu von einer blühenden Melodik, die ins Ohr geht und Verdis knapp zwei Jahrzehnte früherem «Nabucco» in nichts nachsteht. Merkwürdig, dass sich Ferenc Enkels «Bánk Bán», in Ungarn geradezu kultisch als Nationaloper verehrt, im angrenzenden...