Nun ja
Die Frage ist exakt so alt wie die Geschichte der Musik selbst: Soll, darf, kann oder muss man sogar originale Kompositionen bearbeiten, arrangieren, umschreiben, um ihnen andere, neue Facetten hinzuzufügen? Gewinnt ein Klavierstück dadurch, dass man es in eine Fassung für Orchester gießt? Sind die Klangfarben womöglich reicher, wenn man ein Klavierquartett zur instrumentalen Großveranstaltung umwidmet? Und: Darf ein Lied ein Lied bleiben, oder ist es statthaft, wenn nicht hilfreich, es für ein größeres Ensemble zu setzen? Zumal dann, wenn es vom besten Liedkomponisten aller Zeiten,
von Franz Schubert stammt?
Man ist geneigt, die letzten beiden Fragen mit einem klaren «Nein» zu beantworten, gab es doch bislang, was die Schubert-«Umschreibung» angeht, nur wenige gelungene Versuche. Weder Berlioz noch Brahms und Reger waren in der Lage, der sublim-individuellen Klanglichkeit der Lieder etwas hinzuzufügen, das die Welt zwingend brauchte; lediglich die Bearbeitungen von Liszt und Webern vermochten die Immanenz dieser Lieder ein Stück weit zu transzendieren. Zu autark, zu autonom sind diese Stücke, um daran schrauben zu können, im Grunde unantastbar in ihrer Semantik.
Alexander ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Opernwelt Februar 2023
Rubrik: CDs, DVDs und Bücher, Seite 22
von Jürgen Otten
Die Kunde kam wenig überraschend, und doch konnte man ein leises Beben in der Musikwelt kaum überhören: Anfang Januar erklärte Daniel Barenboim seinen Rücktritt als Generalmusikdirektor der Staatsoper Unter den Linden. Leider habe sich sein Gesundheitszustand, so der scheidende Dirigent in einer offiziellen Presseerklärung, «deutlich verschlechtert», er könne jene...
Dass es in der Oper, dem «Kraftwerk der Gefühle» (Alexander Kluge), immer schon auch um soziale und ökonomische Verhältnisse ging, ist bekannt. Unter den fest im Repertoire verankerten Komponisten hat sich aber wohl keiner so sehr für wirklich prekäre Lebensverhältnisse interessiert wie Giacomo Puccini, auch wenn er sie – wie in «La Bohème» – gelegentlich...
Fangen wir diesmal mit dem Ende an. Puccinis letzte Oper bietet drei finale Lösungen. Die erste ist in der Aufführungsgeschichte des Werkes die meistgewählte, aber beileibe nicht die beste: Franco Alfanos apotheotische, affirmativ-apodiktische Ergänzung suggeriert einen Triumph der Liebe, den der Stoff beim besten Willen nicht hergibt; gleichsam ein lieto fine, das...