Noch in der Ekstase beherrscht
«Otello» ist der Gipfelpunkt des romantischen italienischen Melodrammas und zugleich ein Meilenstein in der Entwicklung des dramatischen Tenors, vor allem aber eine Partie, deren stimmliches Profil alles übertrifft, was Verdi bis dahin von seinen Sängern verlangt hatte. Schallkraft und baritonales Timbre, strahlende Höhe und heldisches Pathos sind unerlässliche Voraussetzungen, genügen allein aber nicht, um das ganze Spektrum der inneren Tragik der Figur zu erschließen.
Die Extreme bewegen sich, im oft abrupten Wechsel zwischen Parlato, Cantabile und Deklamato, zwischen leisen, gebrochenen Tönen und rasenden Wutausbrüchen. Um alle Schattierungen vom strahlenden Helden bis zum psychischen wie physischen Zusammenbruch zu vermitteln, bräuchte man nicht nur eine, sondern mehrere Stimmen. Jedenfalls bleiben in dieser nach «La traviata» und «Aida» meistaufgenommenen Verdi-Oper mit Ausnahme Ramón Vinays alle Tenöre hinter den Ansprüchen der stimmmörderischen Partie zurück.
Jonas Kaufmann hat den Otello erstmals im Juni 2017 in London gesungen (ein Mitschnitt der Aufführung liegt auf DVD vor). Allein den Starqualitäten des Tenors dürfte es zu verdanken sein, dass seine Plattenfirma sich ...
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Opernwelt Juli 2020
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 35
von Uwe Schweikert
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