Nahe am Ideal

Delikate Lyrismen, federnde Walzerparaphrasen, gelöstes Parlando: Karlsruhe lässt den «Rosenkavalier» glänzen

Die Liebesnacht der Marschallin und Octavians muss eine stürmische Angelegenheit gewesen sein. Furioser hätte der neue Karlsruher «Rosenkavalier» nicht beginnen können als mit dieser grandios aufgefächerten Introduktion der immer neuen, sich immer mehr überschlagenden orchestralen Anläufe, ihrer Atemlosigkeit, ihrem stetigen Nachlegen.

Die exzellente Badische Staatskapelle und ihr GMD Justin Brown bestim­men diese Strauss-Darstellung ganz wesentlich – auch in den lebensphilosophischen Ruhemomenten, bei den wundersam delikaten, nie triefen­den Lyrismen, den federnden Walzer-Paraphrasen, dem leicht und beweglich gestalteten Dialog-Parlando. Dass die Aufführung sich zum Strauss-Glücksfall auswächst – dazu ist das inspirierte musikalische Gelingen die conditio sine qua non.

Nicht oft wird das zentrale Diktum der Marschallin, die Zeit sei «ein sonderbar’ Ding», optisch so sinnfällig eingefangen wie von dem Karlsruher Regieteam aus Dominique Mentha (Inszenierung), Christian Floeren (Bühne) und Ute Frühling (Kostüme). Eisskulpturen flankieren die Szene im fürstlichen Boudoir wie beim steinreichen Emporkömmling Faninal, auf dessen glattem Parkett das Bedienungspersonal per Schlittschuh ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt September/Oktober 2010
Rubrik: Festivals II / Panorama, Seite 63
von Heinz W. Koch

Vergriffen
Weitere Beiträge
Anspruch und Einspruch

Bei einem Darmstädter Vortrag dachte Theodor W. Adorno 1961 darüber nach, was künstlerische Utopie bedeutet. Seine Antwort: Dinge machen, von denen man nicht weiß, was sie sind. Man kann diese Maxime und den Anspruch, der sich mit ihr verbindet, als Einspruch lesen. Ist es nicht so, dass – auch und gerade in der Kunst – meist Dinge gemacht werden, von denen man...

Bitte nicht jedes Jahr eine neue «Carmen»!

Die Musikfilmproduktion kann man ungefähr einteilen in Aufnahmen der Performing Arts (also Konzert, Oper und Tanz), in Documentaries und Doku-Dramen. Welche dieser Gattungen gehen heute am besten?

Am interessantesten sind natürlich Doku-Dramen, die Darstellung des Lebens eines Künstlers mit Schauspielern. Aber das ist sehr aufwändig, zumal noch das Sprachproblem...

Schöpferisch konzeptionell

In Berlin verstarb der Bühnenbildner Reinhart Zimmermann, jahrzehntelang Ausstattungsleiter der Komischen Oper als Nachfolger Rudolf Heinrichs, dessen Assistent er gewesen war. Er hat unser
Musiktheater wesentlich mitgeprägt, in Zusammenarbeit mit Walter Felsenstein, Götz Friedrich, Michael Heinicke, Harry Kupfer, mir und anderen.

Als Rudolf Heinrich uns nach der...