Nachtgewächs
Nachts, so heißt es, seien alle Katzen grau. Auch in einer Bibliothek. Doch manchmal huschen auch kleine Kobolde durch das Reich der Göttin Nyx, zumindest in Romanen, die «Mitternachtskinder» heißen und aus der Feder eines der größten Erzähler-Phantasten unserer Zeit stammen. Salman Rushdies Roman aus dem Jahr 1981 ist zum Verlieben schön.
Aber ist es auch einer zum Vertonen? Lucia Ronchetti beantwortete die Frage mit einem klaren Ja, und so kam 2015 am auftraggebenden Nationaltheater Mannheim eines ihrer poetischsten Stücke zur Uraufführung – das Musiktheater «Esame di mezzanotte» für Schauspieler, Stimmen, Vokalensemble, Kinderchor, Chor und Orchester. Regie führte Achim Freyer, der große, alte Märchenonkel, der noch jede Oper in einen klingenden Zaubergarten (oder, wie hier, in einen Büchergarten) zu entführen wusste, am Pult stand mit Johannes Kalitzke ein echter Könner auf dem Gebiet der zeitgenössischen Musik. Vera-Lotte Boecker, 2022 «Sängerin des Jahres», zeigte damals schon ihr enormes singdarstellerisches Talent, und auch ihre Partner, darunter die (Counter-)Tenöre Matthew Shaw und Ziad Nehme, sowie das Schauspieler-Trio Christoph Wittmann, Reuben Willcox und Philipp ...
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Opernwelt März 2024
Rubrik: Porträt, Seite 54
von Jürgen Otten
Vom Märchen zur Satire ist es oft nur ein Trippelschritt: Als der russische Theaterregisseur Wsewolod Meyerhold die Fabel «Die Liebe zu den drei Orangen» in die Finger bekam, ein quirliges Commedia-dell’Arte-Stück von Carlo Gozzi aus dem 18. Jahrhundert, erkannte er darin eine nachgerade perfekte Vorlage, um seine Idee vom antirealistischen Theater zu erproben....
Ein Märchen ist ein Märchen. In diesem besonderen Fall zwar eines für Erwachsene, aber doch für solche, die im Innersten Kinder geblieben sind. Wo in der Fabel für die echten Kleinen die Prinzessin und der Prinz sich suchen und nach einigen Prüfungen dann auch finden, sind es hier die Kaiserin und der Kaiser, die als namenlose Idealgestalten traumverloren über die...
Mein Bild ist meine Bühne», sagte der Maler William Hogarth einmal über sich selbst. Sprach’s und setzte es in Kunst um: Zwischen 1733 und 1735 widmete er acht gesellschaftskritische Gemälde und Stiche «A Rake’s Progress», dem Werdegang eines Wüstlings – und inspirierte gut 200 Jahre später Igor Strawinsky und seine Librettisten zu einer fast gleichnamigen Oper...