Mythos trifft Moderne
Wer auf die dreizehn Jahre unter Leitung von Sir Peter Jonas zurückblickt, denkt zuerst an den Urknall, der am 21. März 1994 das Universum der Bayerischen Staatsoper erschütterte und heute als ein ästhetischer wie inhaltlicher Wendepunkt des Hauses erscheint. Die fast leere, bis zur Brandmauer aufgerissene Bühne beherrschte da in Georg Friedrich Händels «Giulio Cesare» ein riesengroßer Dinosaurier, der mitten im ersten Akt donnernd zu Boden kracht und eine tiefe Delle im Bühnenboden hinterlässt.
Richard Jones hieß der Regisseur dieser Produktion, und obwohl Jones später in München eher klassische Inszenierungen präsentierte (1998 Michael Tippetts «A Midsummer Marriage» und 2005 «Pelléas et Mélisande»), wurde dieses Bild für die Erstarrung einer Gesellschaft zur Provokation, die – obwohl per Einlagezettel im Programmheft erklärt – das Münchner Premieren-Publikum verstörte und massive Proteste auslöste. An Herbert Wernickes ebenso kühne wie großartige szenische Einrichtung des Händel-Oratoriums «Judas Maccabäus», die 1980 hinter KZ-Gitterzäunen spielte, und Achim Freyers archaisch leuchtende, bildkräftige «Iphigenie auf Tauris» ein Jahr zuvor mochte sich da wohl schon niemand ...
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Alceste ist tot, die Partie zu Ende. Die Protagonistin aber sitzt die letzten zehn Minuten der Aufführung noch an der Rampe: still, ohne zu singen, das ganze Drama um Leben und Sterben noch einmal rekapitulierend. Die kleinen Bewegungen ihres Kopfes, die Verschattungen des Blicks erzählen. Alceste blickt aus dem Jenseits zurück auf die Welt, auf Hoffnungen und eine...
Gedanken
Warum Musiktheater? Warum überhaupt komponieren? Immer wieder stellt sich mir diese Frage, wenn ich sprachlich auf Musik zugehe, auf ihre Geschichte und Gegenwart, ihre Rezeption und institutionellen Bedingungen. Und zugespitzt begegnet sie einem, wenn das Sujet selbst auf Sprache gründet, sie erzeugt und von ihr umgeben ist, wie es im Musiktheater der...
Ich scheine dafür prädestiniert zu sein, Opern zu schreiben, die nie aufgeführt werden.» Diesen Stoßseufzer seines Librettisten Johan Henrik Kellgren, der haarscharf voraussagte, was mehr als zweihundert Jahre danach noch immer Gültigkeit besitzt, hätte auch der Komponist Joseph Martin Kraus selbst äußern können. Immerhin ist das Mozart-Mega-Jahr 2006 zu einem...