Musizierendes Theater
Der Höhepunkt kam zum Schluss. So transparent, wie die Staatskapelle Halle unter Karl-Heinz Steffens die Variationen aus Alban Bergs «Lulu-Suite» musizierte, fiel einem unwillkürlich Anton Weberns Diktum ein, in 50 Jahren würde jeder Postbote die Musik der Schönberg-Schule pfeifen. Zumindest konnte jeder musikalische Hörer die Metamorphosen des Wedekind’schen Lautenliedes «Konfession» durch alle Stimmen und Klangfarben verfolgen, bevor Steffens das Adagio mit Mahler’schem Weltschmerz auflud.
Die Oper Halle hatte sich in der hiesigen Erstaufführung der «Lulu» klugerweise auf die zweiaktige Fragmentfassung beschränkt. Die ist durchaus abendfüllend und hat den Vorteil, weder Interpreten noch Publikum über Gebühr zu ermüden. So folgt man gespannt bis zum Ende, das eben nicht in Lulus Tod bestehen muss. Die kleine, 60-köpfige Besetzung im tiefer als sonst herabgefahrenen Orchestergraben erlaubte den überwiegend deutschsprachigen Solisten einen entspannten Parlando-Ton von ungewöhnlicher Textverständlichkeit. Die differenzierte Sprachbehandlung Bergs vom gesprochenen Dialog über das Sprechen in notierter Tonhöhe bis zu den verschiedenen Schattierungen des Gesangs trat deutlich hervor. ...
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Opernwelt April 2011
Rubrik: Panorama, Seite 41
von Boris Kehrmann
Sambafieber erwartet man in einer brasilianischen Oper des späten 19. Jahrhunderts vergebens. Mestizische Leidenschaften werden ein gutes halbes Jahrhundert später in Epen, Romanen und Gedichten von Rosa, Amado oder Andrade beschworen, ein wenig früher bereits in der immensen Musikproduktion von Heitor Villa-Lobos. Kunstmusikalisch orientiert sich der riesige...
Chacun à son goût», lautet die Lebensmaxime des Prinzen Orlofsky. Der blasierte Lebemann, der sein Geld in vollen Zügen hinauswirft, langweilt sich und möchte endlich wieder einmal herzhaft lachen. Die Frankfurter Neuinszenierung von Christof Loy kann (und will) da keine Abhilfe schaffen. Selten wurde in einer Aufführung der «Fledermaus» so wenig gelacht wie an...
Längst hat die Musikwissenschaft das Musiktheater der Gegenwart als lohnendes Forschungsobjekt entdeckt. Das umfangreiche Buch von Claudia di Luzio ist schon die zweite Dissertation zu den Bühnenwerken von Luciano Berio (nach Ute Brüdermann, «Das Musiktheater von Luciano Berio», Frankfurt/M., Peter Lang 2007). Beide Autorinnen haben wesentlich dieselben Quellen...