Musik vor Szene

Cardiff, Verdi: Aida

Für John Caird, den Regisseur der neuen «Aida» an der Welsh National Opera (WNO) in Cardiff, spielt die Geschichte vor allem in Radames’ Oberstübchen. Quelle seiner Leidenschaft, so Cairds These, seien die Fantasien eines Mannes in mittleren Jahren. Folglich sitzt Dennis O’Neill gleich zu Beginn im Scheinwerferlicht. Jacke und Hose deuten auf die Zeit um 1870. An einer Wasserpfeife saugend, blickt er mit ausdrucksloser, leicht benebelter Miene ins Leere – ein barocker Heiliger, der gerade eine Vision hat.

Die Kriegsparteien – Priester, Äthiopier und der ägyptische Hofstaat mit einem König, dem Emma Ryott (Kostüme) eine viktorianische Uniform und einen Fez beschert hat – tummeln sich auf verschiedenen Ebenen. Die Bühne (Yannis Thavoris) ist wie ein verkrus­tetes Bärengehege gestaltet, womöglich gehört es zu einem Zirkus, der mit wilden Tieren seine Späße treibt. Darüber verlaufen Holzstege, auf denen die ausgezeichnet disponierten Choristen der Welsh National Opera bequem Platz finden. Die Chöre bereiten noch die größte Freude in einer Aufführung, in der ausnahms­los Rampensingen statt plausibler Personen­füh­­rung angesagt ist.
Man denke an ein Filmplakat aus den Dreißigern, das für ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Juli 2008
Rubrik: Panorama, Seite 41
von Tom Sutcliffe

Vergriffen
Weitere Beiträge
Opas Oper

Mit Spannung war das Regiedebüt des Tenors José Cura erwartet worden. Und der erste Akt beginnt auch durchaus vielversprechend: Graf Riccardo zeigt sich als  moderner Autokrat, der seine Mitarbeiter am großen Konferenztisch antreten lässt und unter einem riesigen Porträt seiner selbst (in jungen Jahren) den Regierungsgeschäften nachgeht. Er hat es trotz seiner...

Der Kaiser ist (fast) nackt

Glyndebourne war einmal ein Ort, an dem (auf Einladung von Günther Ebert und Peter Hall) bedeutende Monteverdi-Pioniere arbeiteten. Doch das ist lange her, abgesehen von einer «Poppea» zum fünfzigjährigen Jubiläum des Festivals 1984. Wenn nun die neue «Poppea»-Produktion dort eines bestätigt, so die Erkenntnis, dass das Stück dramaturgisch größere Probleme aufwirft...

Verblüffend authentisch

Luigi Cherubinis «Médée» gerät seit ihrer Pariser Uraufführung 1797 regelmäßig in Vergessenheit, um periodisch immer wieder neu entdeckt zu werden. Ihre jüngste Renaissance mit Inszenierungen in Wien (siehe OW 5/2008) und Brüssel (siehe OW 6/2008) verdankt sie Heiko Cullmanns 2007 erschienener, preisgekrönter Neuedition im Simrock-Verlag. Der Klagenfurter...