Lieber stilistische Vielfalt als puristische Einfalt
Schön war er beileibe nicht, wenn man der von der Fondazione Giorgio Cini in Venedig aufbewahrten Zeichnung von Marco Ricci glaubt: Ein großer Körper mit zu kleinem Kopf, fettleibig und froschgesichtig, posiert er mit Helm und Federbusch. Der Alt-Kastrat Francesco Bernardi (ca.1680-1759), der sich nach seiner Geburtsstadt Siena «Senesino» nannte, war neben seinem Rivalen Farinelli der berühmteste Opernsänger des 18. Jahrhunderts. Über Venedig, Rom, Bologna und Genua kam er 1717 an den Hof zu Dresden, von wo ihn Händel nach London verpflichtete.
Er wird als überaus eitel und divenhaft beschrieben, doch mit seiner Stimme hat er alle bezaubert. Johann Joachim Quantz schildert sie als kräftigen, klaren, ausgeglichenen und süßen Alt mit perfekter Intonation.
Andreas Scholl hatte im Verlaufe seiner Karriere stets mit für Senesino geschriebenen Arien zu tun. Auch sein Glyndebourne-Debüt 1998 als Bertarido in Händels «Rodelinda» (1725) gab er in einer Senesino-Partie, was sich in zwei Nummern aus diesem Werk auf seiner dem Italiener gewidmeten neuen CD niederschlägt. Zwar weisen atemberaubende Koloraturen wie beispielsweise in «Stelle ingrate» aus Tomaso Albinonis «Astarto» (1708) darauf ...
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Was verbindet Franz Schmidts Romantische Oper in zwei Aufzügen «Notre Dame» mit, sagen wir, Ponchiellis «La Gioconda»? Nicht viel – außer der Tatsache, dass beide Werke trotz einiger Popularität ihr Dasein vergleichsweise unbeachtet in den Nischen des Repertoires fristen, Schmidts Opus womöglich noch unauffälliger als jenes Ponchiellis. Denn populär wurden beide...
Mit seinen Opern verfuhr Georg Friedrich Händel pragmatisch: Wenn für eine Wiederaufnahme die Sängerbesetzung gewechselt hatte, zögerte er nicht, das ganze Werk auf deren Stärken und Schwächen hin neu zuzuschneiden. Zwölf neue Arien schrieb er, als seine erste Londoner Seria «Radamisto» Ende Dezember 1720, nur ein halbes Jahr nach der umjubelten Premiere, wieder...
Dass Bizets Carmen uns nicht nur auf der Bühne, sondern auch auf der Kinoleinwand begegnet, ist wahrlich kein neues Phänomen. Schon 1954 hatte Otto Preminger den Stoff für einen abendfüllenden Spielfilm mit Dorothy Dandridge in der Titelrolle und dem jungen Harry Belafonte als Don José adaptiert. Von den Armenvierteln Sevillas um 1820 verlegte Preminger die...