KLANGZAUBER

Zum Tod des belgischen Komponisten Philippe Boesmans

Sie waren wohl das, was man ein Traumpaar nennt: der Regisseur Luc Bondy und der Komponist Philippe Boesmans. Vier Arbeiten realisierten die beiden fantasiebegabten Naturen, drei davon am Théâtre Royal de la Monnaie in Brüssel, wo Boesmans seit Mitte der 1980er-Jahre als Hauskomponist wirkte; er schrieb die Musik, Bondy verfasste das Libretto, führte Regie. Und stets bildete ein fulminantes Stück Literatur die Vorlage, angefangen mit Schnitzlers «Reigen».

Es folgten Shakespeares «Wintermärchen», Strindbergs «Fräulein Julie», schließlich «Yvonne, die Burgunderprinzessin» von Witold Gombrowicz. Gemeinsam war diesen Stoffen vor allem eines: der Hang zur burlesken Märchenhaftigkeit. Und damit zur Transgression. 

Wie ein roter Ariadnefaden zieht sich dieses Prinzip durch viele Kompositionen des Autodidakten Boesmans, wobei er sehr gerne Grenzen überschritt, nie jedoch gewaltsam. Seine Musik sprengte keinen Rahmen, sie malte ihn nur anders, neu, bunter an. Manche sahen in ihm deswegen einen Eklektizisten. Und das war der 1936 im belgischen Tongern geborene Boesmans auch. Aber eben einer, dem man dies, kaum hatte man sich in seine Stücke hineingehört (oder besser: in ihre Atmosphäre ...

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Opernwelt 6 2022
Rubrik: Magazin, Seite 98
von Jürgen Otten

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