Klangteppiche der Trauer
Was heute als «rechts» verunglimpft werde, sei für ihn schlicht normal, äußerte Mitte Juni der soeben zum neuen Parteiobmann der Freiheitlichen gewählte österreichische Politiker Herbert Kickl. Den nicht rechts verankerten Fernsehzuseher mag die Hemmungslosigkeit dieser Äußerung überrascht haben und an Bertolt Brechts Arturo Ui denken lassen. Apropos: Als «One-man Brecht-Weill for the twenty-first century» wurde der New Yorker Komponist und Jazzpianist David Chesky bezeichnet.
Auch er ist um die Welt besorgt: Angesichts von deren zunehmendem Rechtsdrall (nicht zuletzt als unfreundliche Nebenwirkung der Covid-Pandemie) komponierte er im Seuchenjahr 2020 «in großer Verzweiflung» (Chesky) Klagegesänge über Malaisen, denen die Menschheit in den vergangenen Jahrzehnten ausgeliefert war: über die Nationalsozialisten («The White Rose Trilogy»), den Vietnamkrieg («Remembrance for the Victims of the Vietnam War») und den Bürgerkrieg in Syrien («Sacred Child of Aleppo») sowie die Covid-Seuche («For Our Own», die Erinnerung an Vincent Lionti, einen an diesem Virus verstorbenen Bratscher des Metropolitan Opera Orchestra); vereint nun im Album «Songs for a Broken World».
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Opernwelt August 2021
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 23
von Gerhard Persché
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Die Götter tragen Weiß. Blütenreines, blitzsauberes Weiß. Sieht wirklich gut aus: schick, elegant, lässig. Vielleicht ein bisschen überkandidelt. Aber Götter dürfen dergleichen. Gilt doch für sie, mehr noch als für uns Irdische und ihrem Selbstverständnis nach die von Immanuel Kant in seiner «Kritik der reinen Vernunft» entwickelte Idee, derzufolge Raum und Zeit...
Der Tod sitzt mit am Tisch auf Burg Kareol. Neun Kinderpuppen in blauer Krankenhauskleidung, von ganz klein bis jugendlich groß, sind da an einer langen Tafel zum Abendmahl vereint, vor sich leere Teller und halbgefüllte Gläser. Und allen sieht man an, dass der Krebs in ihnen wütet, leukämisch vermutlich. Die Schädel blank, wie ebenfalls der des jungen Mannes, den...
