Kaninchen vor Schlange

Berlin, Mozart: La clemenza di Tito

Opernwelt - Logo

Im Programmbuch die geballte philosophische und philologische Kompetenz. Natürlich ein Stück des klugen Herrn Niccolò Machiavelli, aus seiner Hauptschrift «Il Principe»: von der Grausamkeit und der Milde und ob es besser sei, geliebt als gefürchtet zu werden. Damit ist das zentrale Thema der Oper bezeichnet. Dann Elias Canetti, Teile aus dem Kapitel «Die Macht der Verzeihung».

Und schließlich, als Speerspitze heutiger Sichtweisen, ein Essay von Slavoj Zizek («Der lächerliche Exzess der Gnade»), der die his­torischen Fakten und Fiktionen zu einer Melange aus moderner Mozart-Rezep­tion und klassischer Kapitalismuskritik vermengt.
Doch ist davon auch etwas zu sehen und zu spüren auf der Bühne, die der Regisseur Nigel Lowery für seine Lesart der Seria «La clemenza di Tito» ersonnen hat? Gern würde man an dieser Stelle davon berichten. Von Beziehungen, Bezügen oder Brechungen. Doch scheint Lowery vor dem Stoff zu stehen wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange. Unschlüssig, unsicher, zag­haft. Schon die von ihm gewählte Abstraktion des Bildes (ein großer, leerer Raum, den wild-naiv, assoziativ bemalte Wände eingrenzen und der, nur durch einen Gazevorhang getrennt, zwei Reiche ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt August 2007
Rubrik: Panorama, Seite 48
von Jürgen Otten

Vergriffen
Weitere Beiträge
Liebesfrust und -lust

Das «Prima la musica»-Postulat in der Oper, so obsolet es ohnehin ist, kann bei einem Werk wie Verdis «Falstaff» geradezu zerstörerische Wirkung haben, denn hier haben wir es mit dem Idealfall einer Symbiose von Text und Musik im Dienste des Theaters zu tun. Als Carlo Maria Giulini diese Musikkomödie vor fünfundzwanzig Jahren in identischer Besetzung in Los Angeles...

Beeindruckende Materialschlacht

Elf Jahre hat Intendant Jean-Louis Grinda erfolgreich am Ruf der Oper Lüttich als gediegenes, musikalische Akzente setzendes Haus gearbeitet. Nun wechselt er nach Monte Carlo. Szenisch gilt die «Opéra Royal de Wallonie» als wenig innovativ – Reiseunternehmen im Umkreis werben bisweilen offen damit, dass man in Lüttich Oper noch «wie früher» erleben könne.
In der...

Bewegungsbilder mit Gesang

Das Thema reizt, gerade in Zeiten, da fast jede Woche Schlagzeilen über ermordete Kinder erscheinen. Doch Choreografin Sasha Waltz widersteht in ihrer zweiten Opernregie der Versuchung, dem «Mythos Medea» allzu aktuelle Bezüge zu verleihen.
Das wäre auch schwierig, reduziert doch Pascal Dusa­pins 1991 entstandene Oper zu Heiner Müllers «Medeamaterial» die Handlung...