Kampf und Krampf

Basel: Verdi: Aida

Es dauert nicht lange, da serviert Calixto Bieito im Basler Theater den ersten Schocker. Ramfis (mit eindrucksvollem Oberkörper und kräftigem Bass: Daniel Golossov), ganzkörperbemalt als eine Art Fußballkrieger, hat ein aufgeschlitztes Reh dabei und wühlt in den blutigen Eingeweiden, während er die Schnauze küsst. Ein Priester in Soutane führt ein Kind an der Hundeleine über die Bühne. Es wird leidenschaftlich gefummelt und gequält. Es ist wie immer, wenn der katalanische Regisseur eine Oper inszeniert. Menschen werden zu Tieren.

Figuren müssen sterben, auch wenn sie sich im Libretto bester Gesundheit erfreuen. In Basel wird die Königstochter Amneris von einem Schweizer Grenzwächter erstochen. Am Ende, wenn Aida und Radamès im Grab dem Tod entgegensehen, darf die rasend Eifersüchtige dennoch ihre Friedenswünsche singen. Dem zarten, lyrischen Beginn der Oper schaltet Bieito den Chor «Gloria all’Egitto» («Ruhm sei Ägypten») aus dem zweiten Akt vor. Die Fanatisierung der Masse interessiert ihn.

Bieito liegt mit seinem desillusionierenden Blick auf den Publikumsrenner «Aida» gar nicht so falsch. Man kann die Jubelgesänge der Ägypter durchaus als martialisches Kriegsgeschrei hören. Auch ...

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Opernwelt November 2010
Rubrik: Panorama, Seite 44
von Georg Rudiger

Vergriffen
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