Intensitäten
Francis Poulencs vierzigminütiger Monolog «La voix humaine» ist eine Tour de force für eine Sopranistin. Auf der Szene dieser 1959 an der Pariser Opéra-Comique uraufgeführten dritten und letzten Oper des großen französischen Lyrikers steht nur eine einzige Person, eine namenlose, «Elle» («Sie») genannte junge Frau. Ihr Geliebter hat sie verlassen. In einem beklemmenden, oft unterbrochenen Telefongespräch unternimmt sie einen letzten, verzweifelten, von vornherein vergeblichen Versuch, ihn zur Rückkehr zu bewegen.
Wir hören in diesem Dialog mit dem abwesenden Partner allein ihre eigene Stimme; seine Äußerungen und sein Verhalten können wir nur an ihren Reaktionen ablesen. Am Ende bricht der Mann die Verbindung ab, und die Verschmähte lässt den Hörer fallen.
Poulenc hat Jean Cocteaus in der Alltagssprache verfassten Text mit höchster Sensibilität in seiner Musik nachgezeichnet. Er erfasst die psychische Labilität dieser zwischen Angst und Hoffnung, Euphorie und Selbstmord schwankenden Frau mit psychologischer Genauigkeit. Immer wieder bricht die mit Pausen, Fermaten und Rubati durchsetzte Musik ab, und doch ist das fragmentarische Geflecht der Partitur das Gegenteil einer ...
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Opernwelt April 2023
Rubrik: CDs, DVDs und Bücher, Seite 29
von Uwe Schweikert
Kein Anschluss mehr unter dieser Nummer. Ins Leere geht Charlottes Griff nach dem Telefon, das an langer Schnur herunterbaumelt. Werther stirbt, mezza voce gesungen von Lucian Krasznec oder schon fast tonlos; Sophie Rennert schmiegt sich ihm in sanften Farben an. Am Münchner Gärtnerplatztheater ist Jules Massenets «Werther» in doppeltem Sinne ein «Drame lyrique»,...
Die Alpen sind als Opern-Handlungsort von den komponierenden Protagonisten der Musikgeschichte bisher keineswegs verschmäht worden: Gaetano Donizettis «Linda di Chamounix» (1842) bezeichnete der Schriftsteller und Satiriker Eckhard Henscheid einmal verschmitzt als «die höchste Oper». Der (heutige) Ort Chamonix-Mont-Blanc liegt aber an sich «nur» auf ungefähr 1.000...
Anno 972 erbt der deutsche Kaiser Otto II. den Thron des italienischen Reichs. Um die Macht zu stärken, plant Ottone, wie er fortan heißt, die byzantinische Kaisertochter Teofane zu ehelichen. Die Witwe Gismonda hingegen, deren Gatten man den Thron geraubt hat, will ihren Sohn Adelberto auf ebendiesem sehen.
Kurzerhand lässt sie die Braut entführen und versucht ihr...