In der besten aller möglichen Welten

Bernstein: Candide an der Opéra national in Lyon

Auf die weit aufgerissene, bis zu den Brandmauern leere Bühne treten zu Leonard Bernsteins das Leben lobpreisender Ouvertüre allerhand Menschen in bunt-diverser Kleidung. Sie könnten sich gerade zu einer Chorprobe hier im Opernhaus versammeln, nehmen sie doch auf einer sich über die ganze Portalbreite ausdehnenden Stuhlreihe Platz und beobachten, was Einzelne von ihnen, die aus dem Kollektiv hervortreten, so zu singen haben. Die Ideen Voltaires haben hier so wenig Bedeutung wie die Umwälzungen der Aufklärung oder sonstige hehre philosophische Diskurse.

Gleichsam voraussetzungslos setzt der Abend ein, in maximaler Distanzierung zu Musik, Text und abenteuerlicher Handlung. 

Regisseur Daniel Fish und sein Team –Bühnenbild: Andrew Lieberman und Perrine Villemur, Kostüme: Terese Wadden – wollen ihren Bernstein nicht «bedienen». An der Opéra de Lyon scheuen sie alles Revuehafte, Opulente, Fantastische, setzen vielmehr auf Askese in postmodern wie postdramatisch performativ ausgelegter Brecht’scher Verfremdung. Dieser Zugriff ist konsequent und streng durchgearbeitet; jedes Chormitglied hat den Ansatz körperlich für sich begriffen, die kleine Tanztruppe (Choreografie: Annie-B Parson) ...

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Opernwelt Februar 2023
Rubrik: Panorama, Seite 38
von Peter Krause

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