Im Zirkus der traurigen Clowns

Simon Rattle dirigiert, Stanislas Nordey inszeniert «Pelléas et Mélisande» bei den Salzburger Osterfestspielen

Zum Lachen war Bajazzo ohnehin nie, hier ganz besonders nicht. Das Messer wie ein erigiertes Glied vor sich herfüh­rend, geht er auf Harlekin zu, unaufhaltsam, unausweichlich den tödlichen Streich führend. Ma la commedia non è finita. Noch kommt das langsame Sterben der roten Colombina, von ihr selbst kaum wahrgenommen im scharf begrenzten autistischen Bewusstsein. Dem Alten, ein Pantalone in Weiß, ist schließlich aufgegeben, die Brücke zu schlagen zur Zukunft.


Sind wir im falschen Stück? Die ­Clownskostüme da oben auf der Breitwandbühne des Festspielhauses lassen dies vermuten. Doch wir sehen nicht etwa ein Palimpsest von Leoncavallos «I pagliacci», sondern Stanislas Nordeys Inszenierung von Debussys «Pelléas et Mélisande» bei den Salzburger Osterfestspielen. Die Weißen Clowns sind allesamt vom tieftraurigen Zirkus Allemonde: Großvater, Mutter, Brüder, Knabe, Doktor. Einzig das Mädchen Mélisande, dieses seltsame und vermeintlich so beiläufige Wesen, an dem Außenwelt, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft scheinbar spurlos vorübergehen, bleibt den Abend über in der Außenseiterfarbe Rot. Mélisande einmal anders, nicht prä­raffaelitisch gläsern gezeichnet, sondern mit dem Rot als Farbe ...

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Opernwelt Juni 2006
Rubrik: Im Focus, Seite 18
von Gerhard Persché

Vergriffen
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