Im Stil der goldenen Zwanziger
Zum Entrée erklingt wildes Gehämmer. Als sich der Vorhang öffnet, ist der Bühnenaufbau noch voll im Gange: Kulissen werden gerückt, eine Wand droht umzufallen. Doch bereits die unfertige Bühne zeigt, wohin die Reise geht: roter Plüsch, soweit das Auge reicht, Samttapeten, Kristallleuchter, Federdiademe. Regisseur François de Carpentries und sein Bühnenbildner Thomas Dörfler verlegen Franz Léhars Operette «Die lustige Witwe» in die Zeit der 1920er-Jahre.
Die Titelheldin, gesungen von Elena Fink, erscheint als Marlene-Dietrich-Verschnitt, platinblond, mit schwarzem Hosenanzug und Zylinder. Wie im Film «Der blaue Engel» posiert sie von Männern umschwirrt mit übereinandergeschlagenen Beinen an der Rampe.
Grundsätzlich wäre der frech-innovative Zeitgeist der «Goldenen Zwanziger» geeignet, dem Operettenklassiker frischen Charme und Esprit einzuhauchen. Doch von der kreativen Aufbruchstimmung jener Ära ist in Kaiserslautern wenig zu spüren. Interieur und ebenso die historisierenden, mit Goldstickereien, Kordeln und Pailletten versehenen Kostüme (Karine Van Hercke) wirken reichlich antiquiert. Auch die Regie zeigt wenig Interesse an einer zeitgemäßen Neuausdeutung. Die Handlung wird eins ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Opernwelt Februar 2023
Rubrik: Panorama, Seite 37
von Silvia Adler
Boris Juchananow, ein Schüler von Anatolij Wassiljew, Adept des antipsychologischen, mythisch-poetischen Theaters und gegenwärtig einer der wichtigsten Theoretiker der russischen Theaterwissenschaft, hält sein Elektrotheater Stanislawski in Betrieb, obwohl ein eisiger, kriegsbedingter Wind durch Moskau weht. In seinem Theater gab es immer wenig Publizistisches und...
Die nordamerikanische Metropole am südlichen Zipfel des Lake Michigan empfängt uns mit einem schwindelerregenden Temperatursturz: Eben noch zeigte die Wetter-App über 20 Grad an, doch innerhalb weniger Stunden fällt das Thermometer auf den Nullpunkt. Im «Blue Line»-Zug vom Flughafen nach Downtown scheint niemand überrascht, die «windy city» ist vertraut mit...
Die Frau spinnt. Scheint völlig neben der Spur zu sein. Vermutlich eine Nymphomanin. An jedem Typen, der vorüberkommt, schnüffelt sie herum wie an einer Linie Koks; ob alt oder jung (der Typ, nicht das Kokain), spielt keine Rolle. Kein Zweifel kann daran bestehen, dass diese Morgana in ihrem Leben vor allem ein Ziel hat, und das besteht darin, Männer zu verführen....