Im Sog der Assoziationen
Musikalisch ist es die berühmteste Szene aus «Lucio Silla»: Giunia steigt in die Katakomben hinab. Für dieses dritte Bild des ersten Aktes schrieb der 16-jährige Mozart eine Chromatik, die weit in die Zukunft vorausweist. Natürlich hört man das Vorbild Gluck. Doch selbst wenn man dessen «Alceste» mitdenkt, bleibt die Musik erstaunlich. Die dunkle Klangfärbung dieser Szene ist der Schlüssel zum ganzen Werk. Und auch dramaturgisch liegt hier der Dreh- und Angelpunkt.
In der Deutung von Jossi Wieler und Sergio Morabito trifft sich unter Tage eine Menschenmenge, die gegen das autoritäre Regime Lucio Sillas revoltieren will, sich aber noch nicht wirklich traut. Die grauen Anzüge der Männer und Frauen erinnern an die ehemalige DDR. Das gilt auch für den Raum, in dem sie sich bewegen. Anna Viebrocks Bühnenbild ist eine Kopie des Elbschlösschens bei Dresden, das einst ein Stasi-Gefängnis war. Die hölzernen Wandverkleidungen, der Parkettboden, die leeren weißen Flächen – vieles lässt an die deutsche Vergangenheit denken.
Doch das ist nur ein Assoziationsstrang dieser grandiosen Aufführung. Wenn der Chor zu singen beginnt, rollt die Versammlung einen Teppich aus, und Giunia zeigt das Bild ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Mit seinen beiden Überblicksdarstellungen zur Sozialgeschichte des Jazz und der klassischen Musik im Dritten Reich hat der kanadische Sozialhistoriker Michael H.Kater – zumindest in Deutschland – gewaltig Staub aufgewirbelt. Nun schließt er seine Beschäftigung mit acht Fallstudien über Komponisten der Nazi-Zeit ab. Dass es sich dabei nicht um «Komponisten im...
Glücklicher Kalaf: Er hat nur drei Rätsel zu lösen und darf sich danach am Ziel wähnen. Armer Zuschauer: Er wird in Günter Krämers neuer «Turandot»-Inszenierung mit Rätseln zugeballert und ist am Ende keineswegs aufgeklärt. Unterstellen wir mal, dass sich Krämer vieles genau überlegt hat. Doch ächzt diese Aufführung bis zum Schluss unter der Fülle ungelöst...
Virtuos ist diese Musik nicht, weil sie dem Orchester Virtuoses abverlangt. Das tut sie sowieso. Virtuos ist, wie sie zwischen der unerträglichen Leichtigkeit des Seins und der nicht weniger unerträglichen Ernsthaftigkeit des Scheins pendelt. Es ist ja, auch wenn man es oft lesen kann, nicht so, dass Schostakowitsch seine Titelheldin nur oder vor allem auf die...