Im Nonsenshaus
Menschen tendieren gelegentlich zu Dummheit und Spießigkeit. Doch: kein Grund zur Aufregung! Oder: wenn Aufregung, dann im Opernhaus! Philippe Boesmans jedenfalls erfüllte sich mit seinem letzten Werk den lang gehegten Wunsch nach einer komischen Oper.
Mit seinem Stammhaus, dem Théâtre La Monnaie, durch vier Jahrzehnte und ein halbes Dutzend Uraufführungen eng verbunden, griff der im April vergangenen Jahres verstorbene Komponist dazu auf Georges Feydeaus Farce «On purge bébé» von 1910 zurück, in der eine Darmverstopfung und die folgende Weigerung eines Siebenjährigen, ein Abführmittel zu schlucken, inflationär Peinlichkeiten zeitigen. So fährt der renitente Nachwuchs dem Vater just zu dem Zeitpunkt in die Parade, als dieser bei einer Produktpräsentation zum Armeelieferanten für Nachttöpfe avancieren möchte. Nur gut, dass des Kindes Konstipation den ministeriellen Aufkäufer ins Schwärmen über seinen Kuraufenthalt versetzt. Die Analfixierung des Ganzen mündet in die unbeabsichtigte Verkostung des Purgativs durch den eifrigen Fabrikanten und einen ministeriellen Spitzenbeamten – mit entsprechend gravierenden en Folgen. Unterdessen glaubt die Mutter des Kindes, ihr erzieherisches ...
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Opernwelt Februar 2023
Rubrik: Panorama, Seite 36
von Michael Kaminski
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Bereits im Vorwort seines berührenden Buches aus dem Jahr 2007 stellt Alexander Kluge klar, dass es ihm bei den 120 «Geschichten vom Kino» um das «Prinzip Kino» gehe, also um den erweiterten Begriff der Kunstgattung. Er halte dieses «Kino», schreibt Kluge, «für unsterblich und für älter als die Filmkunst», weil es auf einem zeitlosen Prinzip beruhe – darauf...