Im Heute verloren
Tschaikowskys «Eugen Onegin» verlangt eine genaue Kenntnis der sozialen, psychologischen, gesellschaftlichen und politischen Lebensbedingungen der Menschen um die Mitte des 19. Jahrhunderts in Russland. Verloren in den Weiten eines unendlichen Landes, Rückständigkeit bei der anderswo rasch sich entwickelnden Industrialisierung, Sehnsucht nach einer fernen Welt voller Licht und Fortschritt, sprich: Paris – das alles bedrängte und bedrückte die Menschen im Zarenreich, trieb sie in Melancholie und Verzweiflung.
In der abgeschotteten Einsamkeit flüchtete man sich in romantische Gefühle, in Romanliteratur und aufwühlende Musik. Solche Dispositionen wirken in den Figuren mit, die Puschkin in seinem «Eugen Onegin» porträtierte. Und sie spielen auch in Tschaikowskys Opernfassung dieses Romans die geheime Hauptrolle. Mit anderen Worten: Das Personal der Oper muss aus seinem Umfeld erklärt und psychologisch begründet werden. Eine nicht einfache Aufgabe, die zuletzt Peter Stein in seiner Lyoner Inszenierung plausibel gelöst hat.
Regula Gerber hat in ihrer Mannheimer Regie, die sehr gut gearbeitet und atmosphärisch dicht gelungen ist, die seelischen Befindlichkeiten der dramatis personae ...
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Opernwelt April 2011
Rubrik: Panorama, Seite 44
von Gerhard Rohde
Sambafieber erwartet man in einer brasilianischen Oper des späten 19. Jahrhunderts vergebens. Mestizische Leidenschaften werden ein gutes halbes Jahrhundert später in Epen, Romanen und Gedichten von Rosa, Amado oder Andrade beschworen, ein wenig früher bereits in der immensen Musikproduktion von Heitor Villa-Lobos. Kunstmusikalisch orientiert sich der riesige...
Claus Guth hat seinen Grundansatz in letzter Zeit kaum variiert. Missbrauch, Dekadenz oder mentale Instabilitäten waren Leitmotive seiner Inszenierungen. Wer da an was oder wem litt, wurde in aller Deutlichkeit vorgeführt. Nun, beim neuen «Parsifal» in Barcelona, findet sich zwar wieder das bekannte großbürgerliche Ambiente. Doch aufs bekannte Guth-Schema lässt...
Im Februar stand der Spielplan des Stuttgarter Opernhauses ganz im Zeichen des Balletts, das seinen 50. Geburtstag feierte. Wer dennoch Lust auf Musiktheater hatte, konnte seine Neugier, abseits der üblichen Pfade, gleich zweimal befriedigen – mit Mozarts «La finta giardiniera» in einer szenischen Produktion der Musikhochschule im kleinen Cannstatter...