Ich ist ein anderer
Selbst gewiefte Kenner der «Winterreise» dürften Schuberts Liedzyklus wohl noch nie so abgrundtief pessimistisch erlebt haben wie in der Neuaufnahme des französischen Tenors Cyrille Dubois. Am Ende seiner Tour d’horizon durch das eigene Ich erwartet den Protagonisten dieser «schauerlichen» Lieder, wie Schubert sie selbst bezeichnet haben soll, bei Dubois das blanke Nichts von Hoffnungslosigkeit und Leere – und das in einer musikalisch bestürzenden Vollkommenheit, ja, Schönheit, die einem das Herz abschnürt.
Von Dubois, der zu den herausragenden jüngeren französischen Sängern gehört, durfte man nach seinen Erfolgen in Barock- und Mozart-Opern, erst recht nach der Aufnahme von Gabriel Faurés komplettem Lied-Œuvre viel erwarten, allerdings kaum ein solch sensationelles Debüt im deutschen Liedrepertoire mit seiner schier endlosen Konkurrenz.
Dabei fordert fast alles an Dubois’ Gesang vom deutschen Hörer Gewöhnung – sein hoher, schlanker, leichter, fast vibratoloser Tenor ebenso wie sein hellherbes Stimmtimbre, seine oft bis zum Flüstern abgedimmte Dynamik ebenso wie sein dosierter, ganz zurückgenommener, gleichsam in sich hinein gesungener Ausdruck. Technische Probleme kennt er nicht, ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Opernwelt März 2024
Rubrik: Medien, Seite 25
von Uwe Schweikert
Es ist schon faszinierend, wie vernehmlich Fafner klingt, wenn er mal nicht in der Ecke liegt und pennt. In vorsichtigen, zugleich markanten Sekundschritten wandelt er übers düstere b-Moll-Feld des «Siegfried»-Vorspiels, leise grummelnd und doch klar bei Sinnen, überaus präsent und der Situation gewärtig, die 90 Minuten später todbringend aus dem Ruder laufen wird....
Brittens letzte Oper «Death in Venice» ist – wie seine Vorlage, Thomas Manns Novelle «Der Tod in Venedig» – ein Werk über das Sterben, es fragt nach der Würde oder der fehlenden Würde des Dahingehens. Ein Werk über das Vergreisen ist es jedoch keineswegs. Genau in diese Falle tappt Magdalena Fuchsberger mit ihrer Inszenierung am Theater Heidelberg. Der Dichter...
Es ist nicht leicht, ein Zar zu sein. Vor allem dann nicht, wenn das eigene Volk in einem ziemlich heruntergekommenen Betonschacht mit Kronleuchter lebt. Das mit nahezu identischen blonden Scheitelfrisuren ausgestattete Kollektiv, vom neuen Chordirektor des Nationaltheaters Mannheim, Alistair Lilley, hervorragend einstudiert, lässt sich leicht manipulieren und...