Hundsgemein?

David T. Littles «Dog Days» geraten bei der europäischen Erstaufführung am Theater Bielefeld allzu aufgeräumt

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In der Kurzgeschichte «Dog Days» erzählt US-Autorin Judy Budnitz auf nicht einmal acht DIN A4-Seiten vom Zerfall aller staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung. Das Desaster schleicht sich an mit Wirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit, es folgen Obdachlosigkeit und Flucht. Nach und nach bricht die Versorgung mit Strom, Kraftstoff, Lebensmitteln ein, während im menschlichen Umgang die Aggressionen in dem Maß zunehmen, in dem die Existenznot dringlicher wird – bis die Hungernden auch das letzte Tabu brechen und zu Kannibalen werden.

Das Erschreckende daran: Vieles ist längst Realität. Man muss nicht erst nach Syrien, nicht einmal Detroit oder Cleveland schauen, um erste Anzeichen eines Kollaps zu befürchten: Harte Verteilungskämpfe bestimmen längst die öffentliche Debatte.

Erzählt wird das alles jedoch mit äußerster Lakonie, aus der Perspektive eines jungen Mädchens namens Lisa. Das Geschehen kreist um sie, ihre Familie und den «Dog Man»; einen, der sich ein Hundefell übergezogen hat und auf allen Vieren kriecht. Das Dasein, reduziert aufs Elementare: Fressen und Überleben.

Die skizzenhafte Vorlage füllte Royce Vavrek für das Libretto mit «realistischen» Situationen auf. Da ...

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Opernwelt April 2016
Rubrik: Magazin, Seite 70
von Ingo Dorfmüller

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